CSU-Mehrheit beschließt Versammlungsgesetz

Der Kampf gegen das scharfe bayerische Versammlungsrecht konnte dieses nicht verhindern

[luzi-m.org] München. Nach achtstündiger Beratung hat die CSU-Mehrheit im Landtag gestern den  Entwurf der Staatsregierung für ein bayerisches Versammlungsgesetz
mit 100 zu 45 Stimmen abgesegnet. Das Gesetz wird am 1. Oktober in
Kraft treten. Monatelang hatten Gewerkschaften, Verbände und
Initiativen gegen das Vorhaben des Innenministeriums gekämpft –
Ergebnis waren minimale und eigentlich selbstverständliche Änderungen
wie Löschfristen für die von der Polizei bei Versammlungen erstellten
Videoaufnahmen. Die 253 Eingaben, die gegen den Entwurf eingereicht
wurden, ignorierte die Ausschussmehrheit am vergangenen Donnerstag mit
Hilfe von Geschäftsordungstricks. Die SPD prüft nun
verfassungsrechtliche Schritte.
Der Artikel 113 der bayerischen Verfassung,
nach dem "alle Bewohner Bayerns" das Recht haben, "sich ohne Anmeldung
oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln", wir
nun noch weiter eingeschränkt. Ziel des bayerischen
Versammlungsgesetzes war es aus Sicht der Staatsregierung, den
"Mißbrauch der Versammlungsfreiheit" zu verhindern. Immer wieder, so
hieß es aus dem Innenministerium, würde "durch Extremisten" die
"öffentliche Sicherheit und Ordnung" aus Versammlungen heraus bedroht.
Um nun nicht jedesmal den "bayerischen Notstandsparagraphen" Artikel 48
bemühen zu müssen, mit dem die Staatsregierung Grundrechte für eine
Woche außer Kraft setzen kann, hatte sie – neben der so genannten "Onlinedurchsuchung" – das Versammlungsgesetz erfunden.

Hinter
dem angeblichen Motto "Kampf gegen Neonazis" zeigte sich rasch, dass es
der Landesregierung tatsächlich um weitreichende Einschränkung der
Versammlungsfreiheit geht, von denen beispielsweise AntifaschistInnen
mindestens ebenso bedroht sind. Tatsächlich ist das "bayerische
Versammlungsgesetz" in weiten Teilen Polizeirecht, das zudem der
Versammlungsleitung Ordnungsaufgaben überträgt. Das inzwischen in das
Landesstraf- und Verordnungsgesetz übernommene "Militanzverbot",
umfangreiche Videoaufnahmen und -zeichnungen, Meldepflichten und neue
(wenngleich juristisch umstrittene, s.u.) Möglichkeiten für verdeckt
arbeitende Beamte machen deutlich, dass die Staatsregierung jene
"ungebändigte Demokratie" fürchtet.


Vom "breiten Widerstand" zum letzen Aufbäumen

Schnell regte sich Protest gegen das Vorhaben.
Parteien, Gewerkschaften, Verbände, Bürgerinitiativen und linksradikale
Gruppen setzten sich an einen Tisch und organisierten mehr oder weniger
intensiv Demonstrationen
und Kundgebungen. Angesichts der Vielzahl von Organisationen wäre
anfangs durchaus an einen Erfolg der GegnerInnen zu Denken gewesen.
Jedoch wurde schnell deutlich, dass sich im Grunde nur "die üblichen
Verdächtigen" für ihr Recht zur Meinungskundgebung interessieren.
Während das radikalere Spektrum viele Leute auf die Straße brachte, sah
die Mobilisierungsfähigkeit der Parteien und Gewerkschaften traurig
aus. Inhaltliche Differenzen zwischen verschiedenen Gruppierungen
führten auch nicht eben zu einer "Massenmobilisierung".

Spätestens die "Großdemonstration" der Gewerkschaften
ließ dann nichts Gutes für den Widerstand gegen das Gesetz ahnen.
Offenbar hält es die Mehrheit der Bevölkerung ohnehin für sinnlos (oder
gar falsch?), gegen die Einschränkung auch ihrer Grundrechte zu
demonstrieren. Dass beispielsweise die verschärften Pflichten von
VeranstalterInnen insbesondere jene empfindlich treffen können, die
nicht aus Erfahrung schon mit dem juristischen Gezerre um
Versammlungsleitung etc. vertraut sind, scheint vielen nicht klar zu
sein.

Und so ebte der Widerstand auf der Straße – wo er
eigentlich hingehört – bald wieder ab. Nur noch wenige beteiligten sich
ander Sternfahrt gegen das Gesetz am vergangenen Freitag. Die Mahnwache
der Gewerkschaft Verdi vor dem Landtag gab nicht nur angesichts des
schlechten Wetters kein Bild des energischen Widerstandes ab. Und so
blieb das "letzte Aufbäumen" schließlich bei den Oppositionsparteien im
Maximilianeum, die bis gestern abend vergeblich versuchten, die
Entscheidung bis nach der Wahl zu verschieben.

Source: http://www.luzi-m.org/nachrichten/artikel/datum/2008/07/17/117