Gewerkschaftler, Schwule und mögliche Ruhestörer: Platz nehmen auf der neuen französischen Datenbank!

[telepolis.de] Edvige, ausgesprochen
etwa Edvische, das klingt eher weich und harmlos, ist aber in
Wirklichkeit eine härtere Nummer, die die französische Regierung am 1.
Juli per Verordnung
auf unsere Nachbarn losgelassen hat. Hinter Edvige steckt eine neu
verordnete Erfassung und Verwaltung von Daten und Informationen
(Exploitation documentaire et valorisation de l’information générale)
von Individuen, die vom Inlandsgeheimdienst DCRI gesammelt werden.

Als "Datenbank potenzieller Gewalttäter" bezeichnete
der österreichische Standard die EDV-Maßnahme von Sarko und ist damit
eine der überaus seltenen frühen deutschsprachigen Reaktionen. Doch
auch in Frankreich geschah die Einführung von Edvige einigermaßen
unbemerkt von der größeren Öffentlichkeit. Mit Ausnahme natürlich von Libération. Wobei andere in ihrer Kritik an der neuen französischen Datenerfassung weiter gingen und gar von einem "Polizeistaat" sprechen.

Doch möglicherweise trügt die Ruhe in den Medien. Seit 10. Juli ist eine Petition zur Abschaffung der kontroversen Datenbank online. Bislang haben über 44.464 Personen (und 310 Verbände) unterzeichnet, eine Zahl, die stündlich zunimmt.

Erstaunlich ist es schon, welche Daten Edvige
wissen will und von wem: Die neue Datenbank soll für die Polizei und
andere Behörden Daten von Personen zentral erfassen,
die sich entweder für ein "politisches, gewerkschaftliches oder
religiöses Mandat" bewerben, bzw. schon mit einem solchen Mandat
betraut sind. Darüber hinaus sammelt Edvige jedoch auch Daten von
Individuen, bzw. Gruppen, "die möglicherweise die öffentliche Ordnung
stören könnten". Darunter können anders als bisher auch 13-Jährige
fallen und Personen, die noch keine Straftat begangen haben. Bisher
durften persönliche Daten von Jugendlichen nur im Zusammenhang einer
Straftat gespeichert werden.

Laut Artikel 2
der Regierungsverordnung zu Edvige können Informationen zum
Familienstand, Beruf, zur Adresse, zu Adressenwechsel, zu körperlichen
Merkmalen, zur Identität, zur Steuer, zu Vorstrafen, zur Anmeldung des
Autos, aber auch zum Bekanntenkreis und – durch andere Verordnungen
eingeschränkt – zum Verhalten der Personen gesammelt werden.

Wie die Tageszeitung Le Monde aktuell meldet,
zeigen sich Verbände, die für die Rechte von Lesben und Homosexuellen
eintreten, besonders beunruhigt. Grund: Die Daten sollen sich auch auf
Angaben zum Geschlechtsleben erstrecken.

Zwar kommen sexuelle Vorlieben in der per
Regierungsverordnung festgelegten Liste der Daten, die erfasst werden
sollen, nicht vor, aber im Text der Verordnung wird die Möglichkeit erwähnt, auf eine frühere Bestimmung
zurückzugreifen, die Ausnahmen bei der Erfassung von Daten zur
"ethnischen Abstammung, Gesundheit und dem Geschlechtsleben" einer
Person auflistet.

Nach Informationen von Le Monde wollen sieben Gewerkschaften und die Menschenrechtsorganisation Ligue des droits de l’homme
nach der Sommerpause beim zuständigen obersten Gericht – dem Conseil
d’Etat – Widerspruch gegen Edvige einlegen, damit die entsprechende
Regierungsverordnung annulliert wird.

Thomas Pany24.07.2008

Source: www.telepolis.de