Menschliche Überwachungskameras

axon taser[kairaven]
Im November 2006 berichtete ich über Paparazzipolizisten in Großbritannien,
die von der Regierung als mobile Videoüberwachungkameras durch die
Straßen patroullieren sollen und zu diesem Zweck neue
Überwachungsausrüstung spendiert bekamen.

Ein ähnliches System für Body-Guards, Gefängniswärter, Soldaten, aber vor allem für Polizeikräfte präsentierte am 20. Juni 2008 Taser, das umtriebige Unternehmen für Elektroschock-Waffen, das Taser auf den Namen AXON (Autonomous eXtended On-Officer Network) getauft hat.

 

Das AXON Paket besteht aus einer Mini-Videokamera (entweder als
Farb-Tageslicht- oder Infrarot-Kamera für die Nacht), die der Polizist
an sein Ohr hängen, an seine Uniform oder an einen Helm montieren oder
als Mini-Handkamera einsetzen kann. Im Ohrhalter ist zugleich der
Mini-Kopfhörer integriert.

Hinzu kommt ein Computer in der Größe eines Handys mit hochauflösendem
Display, dessen Speicher zur Aufzeichnung von Aufnahmen und Gesprächen
mit micro-SD Speicherkarten erweitert werden kann und auf dem übrigens
Linux läuft und kein Windows. Der Computer wird in eine Halterung
gesteckt, in die ein Mikrofon integriert ist, über das der Polizist
seine Funkkontakte abwickelt oder Gespräche beim Kontakt mit dem Bürger
(oder Gespräche zwischen Bürgern) aufzeichnen kann.

Der Computer besitzt außerdem Funktionen für die Datenübertragung per
Funk im Nahbereich, die Tasers eigene Funkübertragungstechnik TACOM
(Taser Communications) nutzt, mit der Taser später alle Produkte
ausstatten will.

Mit TACOM könnten alle Aufzeichnungen direkt in die "Bordcomputer" von
Polizeifahrzeugen übertragen werden oder – wenn Städte und Behörden in
Zukunft vermehrt auf funkgestützte Videoüberwachungsnetzwerke
setzen wie in den USA – auch direkt in die Netzwerke eingespeist und zu
Kontrollräumen transportiert werden, was jeden Polizisten, der mit
AXON-ähnlichen Gerätschaften herumläuft, tatsächlich zur wandelnden
Videoüberwachungskamera macht, der dem gesamten Überwachungsnetzwerk
merh Mobilität verschafft als mobil eingesetzte
Videoüberwachungskameras.

Taser bewirbt wie die britischen Behörden das AXON Paket mit dem
Argument, damit eine schnellere und effektivere Beweissicherung bei
Einsätzen realisieren zu können, die bereits im Vorfeld eines
tatsächlichen Vorfalls einsetzen kann. Außerdem trage der Einsatz von
AXON zu effizienteren und genaueren Polizeiberichten bei. Ein beliebtes
Argument ist auch, dass einerseits Polizisten mit den Live-Aufnahmen
Rechtfertigungsmaterial zur Verfügung stehe, wenn Personen, gegen die
Polizeikräfte vorgehen, aus Sicht der Polizeibehörden ungerechtfertigte
Anschuldigungen wegen Misshandlungen oder Dienstverfehlungen erheben
und andererseits "Polizeiopfer" mit den Aufzeichnungen Verfehlungen
belegen könnten. Das dies im Zweifelsfall für die Polizeikräfte und
-behörden positiv ausgeht, dafür sorgt der Button am Computer, mit dem
der Polizist für den "Privatsphäreschutz" auf Knopfdruck alle Audio-
und Videoaufzeichnungen stoppen kann.

Viele Leute, darunter gerade Aktivisten aus der Datenschutzszene, sollten sich vielleicht noch einmal Gedanken über die Rolle und Geschichte der Polizei, para-militärische Polizeiverbände und ihrem Gerät
machen, wenn sie undifferenziert als "Gegenargument" zu allen
Überwachungsmaßnahmen, die von der Sicherheitspolitik zur Zeit vom
Stapel gelassen werden, anführen, dass "mehr Polizei in den Straßen"
und eine "bessere Ausstattung für arme Polizisten" doch so viel besser
sei.

 

Source: http://blog.kairaven.de