Online-Durchsuchung nicht „belastbar“

[futurezone.at] Der scheidende deutsche Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem hat
den Sicherheitsapparat der Bundesrepublik scharf kritisiert. Die
Regierung erteile Experten Maulkörbe, um die Erfolglosigkeit immer
neuer Sicherheitsmaßnahmen zu verschleiern.

Hoffmann-Riem warf den Regierungen in Bund und Ländern mangelhafte
Information über den angeblichen Nutzen immer neuer Sicherheitsgesetze
vor.

"Belastbare Angaben" vermisst
Es wäre "hilfreich", wenn die Verantwortlichen dem
Bundesverfassungsgericht belastbare Angaben zur Eignung neuer
Fahndungsinstrumente zugänglich machten und nicht "mauerten", wie das
in der Verhandlung zur Online-Durchsuchung geschehen sei.

Das sagte der kürzlich ausgeschiedene Richter am Freitag in Karlsruhe
in einer Feierstunde des Gerichts. Denn Freiheitsbeschränkungen müssten
durch einen "hinreichenden Gewinn an Sicherheit" aufgewogen werden.

Regierung verschleiert Nutzlosigkeit

Hoffmann-Riem, unter dessen Federführung das Gericht zahlreiche
Sicherheitsgesetze beanstandet hat, erinnerte an die Anhörung zur
Online-Durchsuchung im Oktober 2007. Schon auf die ersten Fragen nach
dem Nutzen der Maßnahme habe der Prozessvertreter der Bundesregierung
auf die höchst eingeschränkten Aussagegenehmigungen verwiesen, an die
sich die Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, des
Bundeskriminalamts und des Bundesamts für Sicherheit und
Informationstechnik zu halten hätten.

Diese "Maulkörbe", so Hoffmann-Riem, könnten auch die Schlussfolgerung
nahelegen, man habe lediglich eine Bloßstellung vermeiden und den
"Befund der relativen Erfolglosigkeit" überspielen wollen. "Wollen
Regierung und Parlament die Freiheit der Bürger im Interesse ihrer
Sicherheit einschränken, haben sie eine Bringschuld, dass der Eingriff
in die Freiheit durch einen hinreichenden Gewinn an Sicherheit
aufgewogen wird", sagte der 68-jährige Jurist.

Politik der Bedrohung
Derzeit sei die Politik nicht bereit, dieser Bringschuld hinreichend
nachzukommen. Das immer neue Ausmalen der Bedrohungssituation genüge
nicht, denn Bedrohungen rechtfertigten nur Gegenmaßnahmen, die auch
wirklich Erfolg versprächen: "Alles andere wäre Symbolhandeln oder –
noch problematischer – Ausdruck einer überzogenen
Sicherheitsgesetzgebung." [dpa]

Source: futurezone.orf.at