Berlin will Videoüberwachung mit biometrischer Gesichtserkennung testen

biometrie[heise.de] Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
planen eine Umrüstung des U-Bahnhofs Kottbusser Tor in einen
"Musterbahnhof" für intelligente Videoüberwachung. Dabei sollen nicht
nur bewegliche Kameras zum Einsatz kommen. Experimentiert werden soll
auch mit Verfahren zur biometrischen Gesichtserkennung und zum Erfassen
von Bewegungsbläufen, wie sie etwa für den Drogenhandel typisch sind.
Dies berichten übereinstimmend Berliner Tageszeitungen. Ziel ist es
laut BVG zu testen, "welche Videotechnik sich am besten zur Überwachung
der U-Bahnhöfe eignet". Dabei sollten die Interessen der Polizei zur
Strafverfolgung, die der Verkehrsbetriebe an der Sicherheit von
Mitarbeitern und Fahrgästen, finanzielle Aspekte sowie
Datenschutzbelange unter einen Hut gebracht werden.

Die Berliner Datenschutzbehörde hat die BVG aber noch gar nicht über
das Vorhaben informiert. Der Betrieb sollte "in dieser wichtigen
Angelegenheit recht bald auf mich zukommen", sagte
der Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix der "taz". Er steht dem
Projekt sehr kritisch gegenüber: "Die biometrische Gesichtserfassung
entbehrt bisher jeder rechtlichen Grundlage. Auch die Technik ist noch
nicht wirklich ausgereift." Die BVG beteuert dagegen, dass die Planung
noch "in den Kinderschuhen" stecke. Es gebe noch keinen Termin für den
Start. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) unterstütze den Vorstoß aber
prinzipiell.

Das Beförderungsunternehmen überwacht
die 170 U-Bahnhöfe in Berlin bereits mit stationären Kameras, um Gewalt
zu verhindern und Straftaten leichter aufzuklären. Nach 24 Stunden
werden die verschlüsselt gespeicherten Daten gelöscht, falls sie bis
dahin von der Polizei nicht für die Strafverfolgung abgefragt worden
sind. Dabei kommt es aber ab und an zu Pannen. So war laut einem Bericht
des "Tagesspiegels" vor Kurzem ein Fahrgast von zwei Jugendlichen an
einer U-Bahnhaltestelle in Neukölln vor laufenden Kameras zu Boden
gestoßen worden. Die Täter raubten ihm anschließend die Brieftasche.
Die Fahnder sollen die Videoaufnahmen aber erst nach der Tagesfrist
beantragt haben, als diese bereits wieder überspielt waren. Die BVG hat
daher vor, die Bewegtbilder wie bei der S-Bahn und der Deutschen Bahn
48 Stunden lang zu speichern.

Der ausgemachte Versuchsbahnhof für die aktuelle Überwachungstechnik
in Kreuzberg, an dem sich die U-Bahnlinien 1 und 8 kreuzen, gilt als
Drogenumschlagplatz. Rechtlich gesehen müsste die BVG aber die
Fahrgäste dort über Tests mit biometrischen Kameras und das Einscannen
von Gesichtern klar und deutlich aufklären, erklärte Dix: "Große
Schilder und Informationsmaterial wären das Mindeste." Es mangelt aber
auch noch am Geld für die teuren Spezialkameras und für Personal zur
Auswertung des Materials und den möglichen Abgleich mit bestehenden
Datenbanken. Der BVG schwebt laut
"Berliner Morgenpost" vor, dass der Betrieb selbst, die Polizei und die
Geräteindustrie je ein Drittel der Kosten für den Versuchs übernehmen.
Die Beteiligung der Firmen sei bislang aber nur "eine Grundidee".

Einen Test der Technik für Kameras mit Gesichtserkennung führte das
Bundeskriminalamt im Mainzer Hauptbahnhof mit Freiwilligen durch. Die
Ergebnisse des viermonatigen Probelaufs Ende 2006 waren aber nicht viel versprechend.
So sank die Erkennungsrate nachts bei Kunstlicht auf zehn bis 20
Prozent. In der dunklen Jahreszeit funktionierte die Foto-Fahndung
praktisch nur von 9:00 bis 16:00 Uhr. Das BKA verwarf daher zunächst
Pläne für einen weitflächigeren Einsatz der Systeme und setzte seine
Hoffnung auf künftige Anlagen mit 3D-Gesichtserfassung. (Stefan Krempl) /
(jk/c’t)

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