[taz.de] Die
bayerische Piratenpartei hat ein Dokument veröffentlicht, laut dem in
Bayern illegal Onlinedurchsuchungen stattgefunden haben könnten. Nun
wurde das Haus ihres Pressesprechers durchsucht. VON MEIKE LAAFF
Die Geschichte
von Ralph Hunderlach hört sich an wie aus einem Paranoia-Thriller: Am
Freitag morgen um Viertel vor sechs klopften Polizisten an die Tür des
Münchener Computerexperten, durchsuchten seine Wohnung auf der Suche
nach einem Informanten. Er solle seinen Quellen nennen, sonst würden
sie alles mitnehmen, sollen sie dem Freelancer gedroht haben. Und das
alles nur, weil er Pressesprecher der Piratenpartei Deutschlands ist –
einer Gruppe von libertären Netzaktivisten, die sich in Deutschland und
vielen anderen Ländern der Welt für ein freies Internet und Datenschutz
einsetzen.
Eben jene Piratenpartei veröffentlichte im
Januar 2008 ein Schreiben, das ihr nach eigenen Angaben von einem
Mitarbeiter des Justizministerium zugespielt sein soll. Ein brisantes
Papier – denn es legt nahe, dass in Bayern eine Schnüffel-Software auf
dem Rechner eines Verdächtigen installiert werden sollte, um
Skype-Kommunikation zu überwachen. Diese Maßnahme war schon so weit
geplant, dass in dem Schreiben nurmehr die Kostenübernahme für die
Installation der "speziellen Software" geklärt werden sollte, "mit
deren Hilfe die relevanten Daten vor der Verschlüsselung "abgegriffen"
und an das Bayer. Landeskriminalamt übersandt werden können", wie es in
dem Schreiben vom Bayerischen Justizministerium an die
Generalstaatsanwälte in München, Nürnberg und Bamberg heißt. Besonders
prekär ist das Dokument, weil es schon von Dezember 2007 stammt – die
Trojanerinstallation also konkret geplant wurde, weit bevor ein Gesetz
zur Onlinedurchsuchung im Juli 2008 den bayerischen Landtag passierte.
Das bayrische Justizministerium
bestätigte die Echtheit des aufgetauchten Schreibens nicht. Als die
Piratenpartei das Papier Anfang des Jahres veröffentlichte, hielt sich
die Aufmerksamkeit in Grenzen – erst jetzt, wo die Nachricht über die
Hausdurchsuchung bei dem Piratenpartei-Funktionär die Runde in der
Netz-Community machte, wurde auch eine breitere Öffentlichkeit darauf
aufmerksam.
Das mag auch daran liegen, dass das Interesse
der bayerischen Behörden an dem Fall für die Echtheit des Dokumentes
spricht. Die Piratenpartei zumindest sieht die Hausdurchsuchung ihres
Pressesprechers als eine Bestätigung dafür. "Diese Vorgehensweise kann
man eigentlich nur als Repression gegen unsere politische Arbeit
verstehen. Einige unserer Staatsdiener möchten den Überwachungsstaat
wohl gerne ohne Wissen der Bevölkerung installieren", sagte Jens
Seipenbusch, stellvertretender Vorsitzender der Partei.
In einer Pressemitteilung
auf ihrer Homepage rückt die Piratenpartei den Fall gar in die Nähe des
Cicero-Skandals – weil die Polizei bei Ralph Hunderlach ähnlich wie bei
dem Presseskandal nach Hinweisen auf den Informanten aus dem
Justizministerium gesucht haben soll. Und auch sueddeutsche.de berichtet,
dass die Münchener Staatsanwaltschaft den Durchsuchungsbeschluss damit
begründet, dass mit der Veröffentlichung des vertraulichen
Schriftstücks das Dienstgeheimnis verletzt und die Arbeit der
Ermittlungsbehörden behindert worden sei.
Strafrechtler Udo Vetter kritisierte den
Vorfall. "Die bayerischen Behörden haben ohne jede gesetzliche
Grundlage an einem Trojaner gearbeitet und versuchen jetzt, die
Kritiker mundtot zu machen", sagte er gegenüber der Frankfurter Rundschau. Er
kritisierte außerdem, dass der Pressesprecher laut
Durchsuchungsbeschluss lediglich als "unbeteiligter Dritter", also als
Zeuge eingestuft worden war. Angesichts dieser Tatsache nannte Vetter
den Einsatz gegen Hunderlach in der Frankfurter Rundschau "völlig unverhältnismäßig".
Source: http://www.taz.de