Killerdrohnen

[german-foreign-policy.com]
Begleitet von Protesten endet am heutigen Mittwoch eine prominent
besetzte militärpolitische Konferenz der Wirtschaftszeitung
"Handelsblatt". Im Mittelpunkt des Treffens, das bereits
zum fünften Mal stattfindet und Verteidigungsminister mehrerer
NATO-Staaten in der deutschen Hauptstadt versammelt, stehen neue
Rüstungsvorhaben für die westlichen Kriege. Die Tagung, die die
zunehmende Annäherung der deutschen Wirtschaftseliten an das Militär
erkennen lässt, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem
wichtigen Kooperationstreffen deutscher Militärs mit Managern der
deutschen Rüstungsindustrie entwickelt.
More...Zu
den Themen der Zusammenkunft gehören zentrale Desiderate der
deutschen Afghanistan-Truppen sowie die Kriegführung mit unbemannten
Flugkörpern ("Drohnen"). Diese werden derzeit vom Westen
in Afghanistan und Pakistan eingesetzt – mit verheerenden Folgen.
Erst am Montag starben bei dem Angriff einer Killerdrohne auf ein
pakistanisches Dorf erneut mehrere Zivilisten. Deutsche Forscher
bereiten die eigenständige Entwicklung europäischer Killerdrohnen
vor. Minister, Manager, Militärs Zur Konferenz "Sicherheitspolitik
und Verteidigungsindustrie", die am gestrigen Dienstag mit einer
"Key Note" von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung
begonnen hat, sind die Verteidigungsminister aus drei NATO-Staaten
(Türkei, Norwegen, Kanada) sowie der stellvertretende
NATO-Generalsekretär Bisogniero in Berlin eingetroffen. Anwesend
sind zudem einflussreiche deutsche Militärs, etwa der
stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr Dora, aber auch
Soldaten mit Afghanistan-Erfahrung wie Brigadegeneral Warnecke, der
im letzten Jahr den ersten Kampfeinsatz mit deutscher Beteiligung am
Hindukusch befehligt hat. Neben Praktikern deutscher Kriege, die die
Rüstungswünsche der Truppe en detail kennen, treten auf der Tagung
der "Hauptabteilungsleiter Rüstung" aus dem
Bundesverteidigungsministerium und Vertreter der deutschen
Rüstungsindustrie auf, darunter Manager von Großkonzernen wie EADS,
Rheinmetall, Kraus-Maffei Wegmann oder Thales Deutschland.
Ansprechbar sind außerdem ein Staatssekretär aus dem
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie ein
Außenpolitiker höchsten Ranges – Christoph Heusgen, außen- und
militärpolitischer Berater der Bundeskanzlerin.  

Entscheider, Meinungsführer

Die hochrangig besetzte Konferenz, die im Jahr 2004 zum ersten Mal
durchgeführt worden ist und seitdem jährlich stattfindet, wird von
der Tageszeitung "Handelsblatt" organisiert. Das Blatt ist
laut eigenen Angaben die "größte Wirtschafts- und
Finanzzeitung in deutscher Sprache".[1] Es gibt an, in hohem
Maße "Entscheider und Meinungsführer der deutschen Wirtschaft
und Gesellschaft" zu seinen Lesern zu zählen. Von rund 289.000
"Entscheidern", die "regelmäßig das Handelsblatt"
läsen, seien "88 Prozent Selbständige und Leitende
Angestellte". Dass die Tageszeitung mit Sitz in Düsseldorf sich
seit 2004 mit einer eigenen Tagung der Militärpolitik widmet, ist
Ausdruck der zunehmenden Annäherung der deutschen Wirtschaftselite
an die Bundeswehr; die Annäherung reflektiert den Umfang und die
wachsende Bedeutung der machtpolitisch motivierten deutschen
Militärinterventionen.[2] Im Hintergrund stehen dabei steigende
Kriegsgewinne der Rüstungsindustrie und der relativ jungen,
boomenden Militärdienstleister, welche die westlichen Armeen in ihre
weltweiten Kampfgebiete begleiten.  

Kriegsdienstleister

Ein Beispiel hierfür ist die Düsseldorfer Ecolog AG, ein erst
1998 gegründetes Unternehmen, das sich auf weltweite
Infrastrukturleistungen spezialisiert hat. Ecolog gehört neben
herkömmlichen Rüstungskonzernen wie der Panzerschmiede Kraus-Maffei
Wegmann zu den Ausstellern der aktuellen Handelsblatt-Konferenz. Die
Firma übernimmt Dienstleistungen wie Abfallbeseitigung,
Wäscheservice, Treibstoffversorgung und Catering und stellt Trink-
und Nutzwasser sowie logistische Systeme zur Verfügung. "Mit
unseren Servicelösungen", erklärt Ecolog, "stehen wir
multinationalen Einsatzkräften, Hilfsorganisationen und privaten
Unternehmen zur Seite, die in weltweiten Krisengebieten tätig
sind".[3] Vor allem bedient die Firma deutsche Truppen in
Afghanistan und britisches sowie US-amerikanisches Militär im Irak.
"Auf den Service der hiesigen Ecolog Dependance konnte ich mich
(…) jederzeit zu 100 Prozent verlassen", schrieb vor drei
Jahren der damalige deutsche Kommandeur im afghanischen Camp
Warehouse. Die Referenz half: Das Kriegsgeschäft boomt und hat
Ecolog veranlasst, im vergangenen Jahr eine Filiale in den USA zu
eröffnen. Die Firma gehört der "Association of the United
States Army" an, einer Pressure Group für das US-Militär – der
weltgrößte Abnehmer von Kriegsdienstleistungen.  

Desiderate

"Streitkräfte im Einsatz" lautet das Motto des Panels,
in dem am heutigen Mittwoch der Präsident von Ecolog USA, ein
US-General im Ruhestand, über servicefreudige
"Auftragsdienstleister" im "Krisengebiet"
referiert. Ein Schwerpunkt ist der Bericht von Brigadegeneral
Warnecke, der von seinen "Erfahrungen aus dem Einsatz"
erzählt. Nicht mit allem sind die Bundeswehr-Kommandeure so
zufrieden wie mit dem Service von Ecolog; vor allem verbesserte
Fahrzeugpanzerungen gehören zu den Standarddesideraten der Militärs.
Das Handelsblatt hat für das Panel einen Experten der deutschen
Rüstungsschmiede European Land Systems (Tochter des
US-Rüstungskonzerns General Dynamics) gewinnen können, der einen
Vortrag über "Geschützte Fahrzeuge im Einsatz" hält. Der
"Hauptabteilungsleiter Rüstung" aus dem
Bundesverteidigungsministerium informiert zuvor über "Aktuelle
Rüstungsprojekte zur Unterstützung im Einsatz". Nicht zuletzt
sprechen Politiker und Industrielle über "Stellenwert,
Akzeptanz und Unterstützung" für die Rüstungsindustrie in
Deutschland: Ein Anliegen, dessen Förderung sich Bundeswehr und
Wirtschaft seit geraumer Zeit mit einer Reihe von PR-Maßnahmen
widmen (german-foreign-policy.com berichtete [4]).

Unbemannte Systeme

Zu den Schwerpunkten der Konferenz gehört nicht zuletzt ein Panel
über "unbemannte Systeme" ("Drohnen"). Sie
gelten als "Aufklärungsmittel der Zukunft", bestätigt der
Geschäftsführer der Firma EMT aus Penzberg (Bayern). EMT stellt die
Aufklärungsdrohne LUNA her, die von ihrem Ersteinsatz im März 2000
bis zum März 2006 rund 1.800 Einsätze absolvierte – im Kosovo, in
Mazedonien und in Afghanistan. Experten nennen sie "ungewöhnlich
erfolgreich".[5] Der deutsche Hersteller ist inzwischen nicht
nur in Afghanistan, sondern auch in Pakistan präsent: Die dortigen
Streitkräfte verwenden ebenfalls LUNA-Drohnen, um Aufständische im
Grenzgebiet zu Afghanistan zu orten.[6] Avanciertere Geräte,
sogenannte Killerdrohnen, nutzt seit Jahren die US Army im Irak, in
Afghanistan und Pakistan, um mutmaßliche Aufständische zu
eliminieren. Wegen der hohen Zahl ziviler Todesopfer werden die
Angriffe mit Killerdrohnen scharf kritisiert. Einen Bericht der
US-Defense Security Cooperation Agency (DSCA), demzufolge die
Bundeswehr vier Killerdrohnen vom Typ "MQ-9 Reaper" kaufen
will, hat das Bundesverteidigungsministerium kürzlich dementiert.[7]

Ab 2020

Bereits in Vorbereitung ist allerdings der Bau einer
eigenständigen deutsch-europäischen Killerdrohne. Entsprechende
Forschungen betreibt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) in einem Projekt ("UCAV-2010"), mit dem Technologien
für unbemannte Kampfflugzeuge (Unmanned Combat Air Vehicles, UCAV)
entwickelt werden. Als Einsatzzweck der Killerdrohnen nennt das DLR
die Bekämpfung mobiler Ziele – zu Lande sowie in der Luft. Mit einer
Entwicklungszeit von acht bis zehn Jahren wird gerechnet. Laut DLR
kann so den Bedarfsprognosen des Bundesverteidigungsministeriums
entsprochen werden, das die Luftwaffe vom Jahr 2020 an mit
Killerdrohnen aufrüsten wolle.

Barbarisierung

Einen Tag vor dem gestrigen Beginn der Handelsblatt-Konferenz, den
Kriegsgegner mit Protesten begleiteten, sind neue Berichte über den
Einsatz von US-Killerdrohnen in Pakistan bekannt geworden. Sie
feuerten Raketen auf ein pakistanisches Dorf, um das Haus eines
islamistischen Kommandeurs zu vernichten. Der Mann hatte in den
1980er Jahren mit westlicher Unterstützung gegen sowjetische Truppen
in Afghanistan gekämpft. Er überlebte den Angriff – anders als
sechs Zivilisten, die dabei zu Tode kamen. Zudem wurden rund 15 bis
20 Personen, die meisten davon Frauen und Kinder, verletzt.[8] Die
Barbarisierung des Krieges, die mit dem Einsatz höchstentwickelter
Technologien einhergeht, schreitet mit den deutsch-amerikanischen
Kampfeinsätzen voran.

[1] Handelsblatt. Substanz entscheidet; www.vhb.de
[2] s. dazu
Geschlossener
Personalkreislauf
, Unerkannte
Mittler
und Schulterschluss
[3]
Überblick; www.ecolog-international.com
[4] s. dazu Formierung,
Neues
Steuerungsniveau
und Kriegslogistiker
[5]
LUNA. Eine Erfolgsgeschichte; Strategie und Technik Oktober 2007
[6]
Jung kritisiert US-Angriffe; Süddeutsche Zeitung 05.09.2008
[7]
Deutschland will Kampfdrohnen in den USA kaufen; Focus Online
04.08.2008
[8] US-Drohne tötet Zivilisten und Taliban;
Süddeutsche Zeitung 08.09.2008   Source:
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57329