Exklusive Ansprechstellen

[german-foreign-policy.com] Mit einer Logistiktagung treibt die Bundesakademie für Sicherheitspolitik die Anbindung von Privatunternehmen an die Repressionsapparate voran. Gegenstand des zweitägigen Forums, das am heutigen Mittwoch zu Ende geht, ist die Sicherung globaler Warentransporte gegen gewaltsame Angriffe. Die Teilnehmer kommen aus mehreren Ministerien, Wirtschaft, Geheimdienst und Bundeswehr. Vertreten sind bedeutende Logistikfirmen, darunter die Deutsche Post und eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn; die beiden ehemaligen Staatsmonopolisten arbeiten eng mit dem deutschen Militär zusammen. Die aktuelle Tagung setzt ähnliche Bemühungen der Bundesakademie fort, die inzwischen zu ersten Erfolgen führen. So ernennen im Ausland tätige Firmen auf Drängen der Bundesakademie mittlerweile Kontaktpersonen ("Single Point of Contact"), die den staatlichen Behörden als "exklusive Ansprechstellen" zur Verfügung stehen. Die Bereitschaft deutscher Unternehmer, mit dem repressiv-militärischen Komplex zu kooperieren, steigt mit den boomenden Auslandsgeschäften an: Lukrative Gewinnchancen, die wegen der zugleich eskalierenden globalen Konflikte in Gefahr geraten, führen Firmenvertreter an die Seite von Geheimdiensten und Bundeswehr.

Anbindung
Die aktuelle Tagung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), die am gestrigen Dienstag begonnen hat und heute zu Ende geht, widmet sich schwerpunktmäßig der sogenannten Supply Chain Security. Darunter verstehen Fachleute das Bemühen, die Lieferketten des globalen Warenhandels gegen unerwünschte Eingriffe durch Dritte zu sichern, insbesondere gegen politisch motivierte Attacken (Terrorismus), aber auch gegen armutsbedingte Kriminalität etwa vor den afrikanischen oder südostasiatischen Elendsküsten (Piraterie). Mit dem kontinuierlichen Anstieg der westlichen Expansionstätigkeit nehmen sowohl politische Konflikte als auch globale Wohlstandsdifferenzen dramatisch zu, sodass in Zukunft mit immer häufigeren Angriffen auf die weltweiten Lieferketten zu rechnen ist. Berlin reagiert mit einer intensivierten Anbindung der Privatwirtschaft an die staatlichen Repressionsbehörden.

Strategischer Dialog
Entsprechend ist die aktuelle BAKS-Tagung, die zu einer Veranstaltungsreihe mit dem Motto "Strategischer Dialog Staat und Wirtschaft" gehört, hochkarätig besetzt. Sie findet teilweise im Auswärtigen Amt statt, wo der Staatssekretär aus dem Bundesministerium der Verteidigung Rüdiger Wolf mit einer Rede angekündigt ist. Redebeiträge gibt es außerdem von einem ehemaligen Inspekteur der Kriegsmarine, vom Präsidenten der BAKS sowie einer Referatsleiterin des Hamburger Inlandsgeheimdienstes (Landesamt für Verfassungsschutz). Vertreter weiterer Repressionsbehörden werden als Teilnehmer erwartet. Dass Maßnahmen repressiver Natur in zunehmendem Umfang auch von Bundesministerien begleitet werden, die die Öffentlichkeit bislang nicht damit in Verbindung bringt, lassen zwei weitere Referenten der BAKS-Tagung erkennen. Dort ist neben dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Ulrich Kasparick, der die Position seines Hauses zur "Supply Chain Security" darlegt, ein Mitarbeiter des Bundesbildungsministeriums angekündigt. Er gehört dort dem "Referat Sicherheitsforschung" an und referiert über "Supply Chain Security im nationalen und europäischen Sicherheitsforschungsprogramm".[1]

Militärlogistik
Neben Behördenmitarbeitern nehmen an der BAKS-Tagung vor allem Funktionäre großer Logistikkonzerne teil, darunter Vertreter der Deutschen Post, der Lufthansa Cargo und von Railion, einer Tochter der Deutschen Bahn. Die Deutsche Post hat ihren "Konzernrepräsentanten Military Affairs Bundeswehr/NATO" entsandt, der die breit gefächerte Zusammenarbeit des früheren Staatsunternehmens mit der deutschen Armee koordiniert (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Seine Anwesenheit bei der Tagung ist sachlich begründet: Die global tätigen Logistikkonzerne verlassen sich bei der Sicherung ihrer Transportrouten in immer größerem Umfang auf die Bundeswehr – nicht nur Reedereien, deren Schiffe von Piraten bedroht werden, sondern auch die Deutsche Post und ihre Tochter DHL, die etwa Afghanistan beliefern. Lufthansa und Deutsche Bahn sind der Bundeswehr ebenfalls eng verbunden. Die Lufthansa bildet seit 1963 an ihrer Verkehrsfliegerschule in Bremen und Phoenix (Arizona/USA) Transportflieger der Bundeswehr aus, auch ihre Techniksparte kooperiert mit den Streitkräften. Die Deutsche Bahn-Tochter Schenker hat vor rund zwei Jahren wegen der immer enger werdenden Zusammenarbeit mit der deutschen Armee eine eigene Zentralabteilung für die Militärlogistik etabliert.

Konvergenz
Wichtige Aspekte, die auf der Tagung behandelt werden dürften, lassen sich einer knappen Stellungnahme des Fregattenkapitäns der Reserve Ludolf Baron von Löwenstern entnehmen. Löwenstern referiert zum Ende der Tagung heute Nachmittag zu dem Thema "Secure Economy – Die maritimen Interessen der Bundesrepublik Deutschland". Dazu hat er sich bereits Ende 2007 geäußert. "Wenn der Suezkanal oder die Straße von Malakka (…) durch einen terroristischen Akt unpassierbar würden", urteilte er damals in einem kurzen Kommentar, "wäre fast jedes europäische, am Welthandel beteiligte Unternehmen betroffen". Daher "wird Sicherheit nicht mehr nur in den Lagezentren der Militärs oder der Politik diskutiert, sondern auch in den Vorstandsetagen internationaler Unternehmen".[3] Dass Logistikunternehmen in besonderem Maße davon geprägt werden, weil sie womöglich gefährdete Transporte übernehmen, liegt nahe. So hat erst kürzlich der Verband Deutscher Reeder die Bundesregierung aufgefordert, Einsätze der deutschen Kriegsmarine im Kampf gegen Piraten zuzulassen.[4] Die gemeinsame Präsenz von Unternehmensvertretern und deutschen Militärs auf der heutigen BAKS-Logistiktagung ist der jüngste Ausdruck dieser ökonomisch-militärischen Konvergenz.

Das gleiche Ziel
In ähnlichem Sinne hat sich letztes Jahr der "Konzernrepräsentant Military Affairs Bundeswehr/NATO" der Deutschen Post World Net geäußert. "Mögen die Gründe für eine effiziente Sicherheitsvorsorge in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft unterschiedlichen Ursprungs sein", schrieb er über das rapide Wachstum des repressiv-militärischen Komplexes, "so verfolgen doch alle das gleiche Ziel": "die Verwundbarkeit durch globale Bedrohungen zu verhindern und unabwendbare Schäden kontrolliert zu minimieren." Dies könne nur "gemeinsam und in enger Abstimmung der Sicherheitsakteure effizient geleistet werden".[5] Ein zentraler Ort dieser "Abstimmung", die Wirtschaftsunternehmen, Repressionsbehörden und Streitkräfte immer dichter aneinander bringt, ist die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Sie integriert Firmenvertreter nicht nur in ihre sechsmonatigen "Seminare für Sicherheitspolitik", deren Teilnehmer nach dem Abschluss in eine selbsternannte "strategic community" Deutschlands aufgenommen werden (german-foreign-policy.com berichtete [6]), sondern stärkt die Anbindung mit eigenen Veranstaltungsserien.

Single Point of Contact
Dabei erzielt sie durchaus Erfolge. So regte die BAKS bei einem Treffen eines ihrer Gesprächskreise mit dem Namen "Zusammenarbeit von Behörden und Wirtschaft in Krisen" im Oktober 2007 an, im Ausland tätige deutsche Firmen sollten "exklusive Ansprechstellen" für Mitarbeiter nicht näher bezeichnter staatlicher Apparate etablieren. Bei einem Treffen desselben Arbeitskreises durfte die BAKS vor wenigen Tagen einen ersten Erfolg vermelden: Man konnte mehrere neue Kontaktstellen ("Single Point of Contact") evaluieren. Selbstverständlich wurde "die Einrichtung weiterer exklusiver Ansprechstellen angeregt", um "im Falle einer kritischen Lageentwicklung" die "Kontaktaufnahme noch einfacher gestalten" und gegebenenfalls für nötig befundene Maßnahmen "gemeinsam einleiten zu können".[7] Umgekehrt haben mittlerweile auch das BKA (Bundeskriminalamt) und das Bundesverteidigungsministerium bzw. dessen neuer Einsatzführungsstab eigene "Kontaktstellen" für die Wirtschaft etabliert.[8]

BND
Unter dem Einfluss von Institutionen wie der BAKS schreitet die Anbindung der Privatwirtschaft an den repressiv-militärischen Komplex voran. Dass die Wirtschaftsabteilung im Auswärtigen Amt inzwischen vom bisherigen Vizepräsidenten der deutschen Auslandsspionage (Bundesnachrichtendienst, BND), Rüdiger von Fritsch, geleitet wird [9], drückt diese Verbindung augenfällig aus. Der Ex-BND-Mann Fritsch und die Wirtschaftsabteilung begleiten expansionswillige deutsche Unternehmen bei ihren Auslandsgeschäften. Fritschs Vorgänger beim BND war übrigens Rudolf Adam, bis vor kurzem Präsident der BAKS. Dem jetzigen Vizepräsidenten der BAKS ist die Welt der Spionage ebenfalls nicht fremd: Von 2005 bis 2008 leitete er im Bundeskanzleramt das Referat 621, das für nachrichtendienstliche Angelegenheiten zuständig ist. Auswärtige Kompetenz ist in der BAKS-Führung demnach seit Jahren in erheblichem Maße vorhanden – eine günstige Voraussetzung für erfolgreiche Begleitung der weltweiten deutschen Wirtschaftsexpansion.

[1] Programm für das Forum Strategischer Dialog Staat und Wirtschaft – Supply Chain Security -; www.baks.bundeswehr.de
[2] s. dazu Kriegslogistiker
[3] "Secure Economy" und die maritimen Interessen der Bundesrepublik; Wirtschaftsrat Deutschland, Dezember 2007
[4] s. dazu Piratenjagd
[5] Udo Eschenbach: Neue Herausforderungen an logistische Systeme; Griephan Global Security Herbst 2007
[6] s. dazu Strategic Community und In die Zange nehmen
[7] Zusammenarbeit von Behörden und Wirtschaft in Krisen; www.baks.bundeswehr.de 21.10.2008
[8] s. dazu Grauzonen
[9] Frank-Walter Steinmeier: Der neue Genosse der Bosse; wiwo.de 15.09.2008

Source: http://www.german-foreign-policy.com