Polnischer Inlandsgeheimdienst scannt Briefverkehr

[polnisches-recht.de] Wie die Tageszeitung Dziennik in ihrer heutigen Ausgabe (12.11.2008) schreibt, hat der polnische Inlandsgeheimdienst (ABW – Agencja Bezpieczeństwa Wewnętrznego)
vor, den gesamten Briefverkehr in Polen zu scannen. Als Ergebnis soll
eine Datenbank mit Informationen über Absender, Empfänger sowie einer
graphologischen Analyse jeder Briefsendung, die über die Poczta Polska (Polnische Post) versendet wird, entstehen.
Rechtlich erscheint nicht nur das Vorhaben
fraglich, aber auch die Vorgehensweise. Das Beschaffungsverfahren soll
wie folgt ausgesehen haben:

  1. die Poczta Polska teilte der ABW  mit, dass sie vorhaben neue Sortierungsmaschinen zu erwerben
  2. die ABW  antwortet der Poczta Polska, dass sie an speziellen “Zusatzfunktionen” interessiert sind
  3. die ABW  unterstützt die Poczta Polska bei der Definierung der Leistungsmerkmale im Rahmen des öffentlichen Ausschreibungsverfahrens

Dziennik deutet an, dass die ABW  nicht nur bei der Definierung der Leistungsmerkmale die Poczta Polska
unterstützt hat, sondern auch gezielte Kaufempfehlungen erteilt und
dadurch das Verfahren manipuliert hat. In diesem Zusammenhang hat sich
die Poczta Polska beim Einkauf von neuen Sortierungsmaschinen
für Geräte von Siemens entschieden, obwohl japanische Geräte des
Herstellers Mitsui um ca. 30 % günstiger waren. Offiziell soll durch
ein Rechenfehler im Angebot der japanischen Mitbewerber dieses als
nicht gültig erachtet worden sein. Inoffiziell aber verfügten diese
Geräte nicht über die Möglichkeit der Erstellung einer graphologischen
Analyse der Briefaufschriften.

Dieses Vorhaben führte im Laufe des
Tages zu kontroversen Diskussionen. Die Mehrheit der Juristen berufen
sich auf das im polnischen Grundgesetz verankerte Briefgeheimnis gemäß
Art. 49 der Verfassung:

Die Freiheit und der Schutz des
Komunikationsgeheimnisses werden gewährleistet. Sie dürfen nur in den
vom Gesetz bestimmten Fällen und in einer gesetzlich bestimmten Form
eingeschränkt werden.

Letztendlich handelt es sich hier
wieder einmal um die Frage, inwieweit der Staat die Rechte seine Bürger
einschränken darf, um die  Sicherheit präventiv zu schützen. Laut einer Pressemitteilung der ABW  bezüglich der Veröffentlichung, beruft sich der Sicherheitsdienst auf Art. 27 des Gesetzes über den Inlandsgeheimdienst (Ustawa o Agencji Bezipeczeństwa Wewnętrznego oraz Agencji Wywiadu).
Das Problem dabei ist nur, dass Art. 27 zwar eine gesetzliche Ausnahme
des Briefgeheimnisses darstellt, aber an gewisse Voraussetzung geknüpft
ist, u.a. darf der Inhalt einer Korrespondenz nur dann kontroliert
werden, wenn dieses im Rahmen eines Ermittlungsverfahren geschieht und
ein richterlicher Beschluss vorliegt. Insofern kommt hier noch nicht
einmal eine analoge Anwendung des Art. 27 in Frage.

Aktuell wird in der Sortierungszentrale der Poczta Polska
in Posen ein Testdurchlauf realisiert. Letztendlich soll das
System aber auf ganz Polen ausgeweitet werden. Mit der Anschaffung von
weiteren speziellen Sortierungsmaschinen sind Kosten in Höhe von ca.
250 Mio. PLN verbunden.

Quelle: dziennik.pl, gazetaprawna.pl, tvn24.pl, inwestycje.pl, money.pl,

Source: http://www.polnisches-recht.de/?p=98