Manche Taser-Waffen schocken mit erhöhter Stromstärke

Tests, die von kanadischen Medien in Auftrag gegeben wurden, lassen
Zweifel an der Sicherheit zumindest der älteren Elektroschockwaffen des
Typs X26 entstehen

[heise.de] Ob Taser
(1)-Elektroschockwaffen tatsächlich als "nichttödliche" Waffen
bezeichnet werden können, die harmlos sind und keine Schäden
verursachen, ist umstritten, nachdem immer wieder einmal Menschen
sterben. In Kanada sind mehr als 20 Menschen gestorben, nachdem sie
geschockt wurden. Besonders nach dem Tod des Polen Robert Dziekanski,
der im Oktober 2007 vor laufender Videokamera von Sicherheitskräften
"getasert" wurde und starb ( Der Tod aus der nichttödlichen Taser-Waffe (2)), ist in Kanada die Diskussion um die Elektroschockwaffen angeheizt worden.

Kanadische Kardiologen haben in einer Studie versucht nachzuweisen,
dass in bestimmten Fällen der Elektroschock wie ein Defribillator
wirken und den Tod verursachen kann ( Töten Elektroschockwaffen doch?
(3)). Taser International bestreitet, dass die Elektroschocks die
Herzmuskeln stimulieren können und führt die Todesfälle auf andere
Ursachen zurück, die nichts mit der Waffe zu tun haben sollen. Die
Polizei in Kanada besitzt mehrere Tausend Taser-Waffen.

Eine Untersuchung (4) von Taser-Waffen, die CBC News und Radio Canada
(5) in Auftrag gegeben haben, brachte nun an den Tag, dass von einigen
älteren Waffen eine höhere Stromstärke abgegeben wird, als die Firma
als höchstmögliche angibt. Getestet wurden von der US-Firma National
Technical Systems insgesamt 41 zufällig ausgewählte X26-Taser-Waffen (6), die von der kanadischen Polizei verwendet werden. Jede Waffe wurde mindestens sechs Mal abgefeuert.

Die meisten Waffen funktionierten nach den Vorgaben. 5 der getesteten
Waffen waren nicht einsatzfähig, weil sie keinen Strom abgaben, 4 der
41 Waffen erzeugten bei den ersten abgegebenen Schüssen eine teils
wesentlich höhere Stromstärke als die 3,3 A (+15%), die von Taser als
Maximum angegeben wird. Die ersten Schüsse überstiegen teils 5 A. Bei 2
Waffen lag die Stromstärke auch bei wiederholten Entladungen noch über
dem Maximum (3,98 bzw. 4,23 A). Vermutet wird, dass bei wenig
eingesetzten Waffen bei den ersten Schüssen die Stromstärke höher sein
könnte. Der Grund könnte aber auch sein, dass bei älteren Waffen – es
handelte sich um solche, die vor 2005 gekauft wurden – eine Veränderung
eintreten könnte. Möglicherweise waren auch die Kontrollen bei der
Herstellung unzureichend.

Wenn immerhin doch 9 Prozent der Waffen eine höhere
Stromstärke produzieren, die möglicherweise für die Getroffenen
gefährlich werden könnte, dann ist für den Biomediziner Pierre Savard
von der University of Montreal erforderlich, dass die Taser-Waffen
internationalen Standards unterworfen werden müssen: "Wenn man ein
Handy benutzt, so haben diese Grenzwerte für die von ihnen ausgehende
elektromagnetische Strahlung. Beim Taser weiß dies niemand außer Taser
selbst." Nach Savard, der auch Mitautor der oben erwähnten Studie über
die Todesfälle war, werden die Polizisten ausgebildet, mit dem Taser
auf die Brust zu zielen. Das aber könnte besonders bei Menschen mit
Herzkreislauferkrankungen oder anderen Problemen wie Drogensucht
gefährlich sein, wenn einer der Pfeile direkt über dem Herzen am Körper
einhakt und das Herz mit einer höheren Stromstärke stimuliert wird:

Taser erklärte
(7) in einer Stellungnahme, dass die Fehlfunktion der 4 Waffen darauf
zurückzuführen sei, dass sie nicht ordnungsgemäß gewartet worden sei.
Sie müssten regelmäßig gefeuert werden. Allerdings heißt es, dass nur
beim ersten Schuss dann eine höhere Stromstärke auftreten könne.

Die Polizei von Quebeq hat nach dem Bericht am vergangenen Freitag angeordnet
(8), ältere Taser-Waffen vorerst nicht mehr einzusetzen, bevor sie
nicht kontrolliert wurden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty
International, seit Jahren gegen Taser kritisch eingestellt, fordert
(9) ein Moratorium für den Einsatz von Elektroschockwaffen. Die
kanadische Polizei hat selbst Tests durchgeführt und kommt zum
vorläufigen Schluss, dass die Taser-Waffen nach den von dem Unternehmen
angegebenen Spezifikationen funktionieren.

Links

(1) http://www.taser.com/pages/default.aspx
(2) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26618/1.html
(3) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27910/1.html
(4) http://www.cbc.ca/news/pdf/taser-analysis-v1.5.pdf
(5) http://www.cbc.ca/canada/story/2008/12/04/taser-tests.html
(6) http://www.taser.com/products/military/Pages/TASERX26.aspx
(7) http://www.cbc.ca/news/pdf/taser-reponse-to-cbc.pdf
(8) http://www.cbc.ca/canada/montreal/story/2008/12/05/mtl-taserfolo1205.html
(9) http://www.cbc.ca/canada/montreal/story/2008/12/04/amnesty-tasers.html

Source:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29301/1.html