Die operativ-taktische Arbeit im deutsch-niederländischen Grenzgebiet hat mit dem Niederländisch-Deutschen Polizei- und Justizvertrag (Vertrag von Enschede) eine solide Grundlage bekommen. Gemäß Artikel 19 des Vertrages können u.a. gemeinsame Streifen zur Intensivierung der Zusammenarbeit gebildet werden. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der im Grenzgebiet eingesetzten Streifen endet jedoch an der Grenze, es sei denn, bestimmte Vorraussetzungen des Vertrages von Enschede liegen vor, die eine Nacheile, eine Observation oder eine Maßnahme zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben begründen. Unter diesem Aspekt fand bis dato in der bestehenden niedersächsischen Polizeiorganisation die grenzüberschreitende operative Zusammenarbeit statt. Eine grenzüberschreitende Streifentätigkeit und die damit einhergehende Stärkung des Sicherheitsgefüges sind mit der üblichen nationalen Streifenkonstellation grenzübergreifend nicht unmittelbar zu erreichen.
Die Idee
Zur umfassenden grenzüberschreitenden Abdeckung in punkto Sicherheit bedarf es daher eines neuartigen Instrumentariums, eines gemeinsamen Streifenteams. Bei gemeinsamen Streifen im Grenzgebiet wechseln die Zuständigkeiten mit Grenzübertritt vom einen Souverän zum anderen. Um hoheitlich grenzüberschreitend tätig werden zu können, wechselt mit der örtlichen Zuständigkeit auch die Funktion des/der Streifenführers/Streifenführerin. Der/Die deutsche Polizeibeamte/Polizeibeamtin ist auf deutschem Staatsgebiet StreifenführerIn und wird seitens des/der niederländischen Kollegen/Kollegin unterstützt; auf niederländischem Staatsgebiet wechselt diese Funktion. Eine Beendigung der Zuständigkeit an der Grenze wird durch die gemeinsame Streife aufgehoben, da eine Fortführung der Tätigkeit im jeweiligen benachbarten Staat unter Leitung des/der örtlich zuständigen Beamten/Beamtin gewährleistet ist. Ein Gewinn an Sicherheit für beide Staaten, ohne dass örtliche und sachliche Zuständigkeiten enden oder territorial beschnitten werden. Hierin liegt der Mehrwert eines operativ arbeitenden grenzüberschreitenden Polizeiteams (GPT).
Die Lösung
Diese gemeinsamen Streifen wurden institutionalisiert. Auf der Grundlage von Vereinbarungen wurde ein festes Team gegründet und damit eine eher zufällige, auf Einzelabsprachen beruhende Streifentätigkeit abgelöst. Das so entstandene Streifengeflecht arbeitet im Gesamtkontext grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Die Streifen werden aufeinander abgestimmt und können am aktuellen Lagebild orientiert über einen längeren Zeitraum planbar, schwerpunkt- und zielorientiert eingesetzt werden. Die Effektivität der Streifentätigkeit ist nicht mehr von eher zufälligen Faktoren abhängig sondern wird umfassend grenzüberschreitend wahrgenommen. Gemeinsame Streifen von niederländischen und deutschen Polizeibeamten/-innen bieten auf der Grundlage des niederländisch-deutschen Polizei- und Justizvertrages und einer regionalen Kooperationsvereinbarung die Chance, aktiv und zeitnah operative Kriminalitätsbekämpfung an einer innereuropäischen Grenze zu optimieren. Gebündelte sachliche und vor allen Dingen örtliche Zuständigkeiten führen zu einem Sicherheitsgeflecht diesseits und jenseits der Grenze im gemeinsamen Grenzgebiet. Ein Aufgabenbereich, der bisher so nicht von der Alltagsorganisation wahrgenommen werden konnte.
Die Umsetzung
Das GPT wurde unter Einbindung von Beamten und Beamtinnen aus den beteiligten Behörden geschaffen. Präsenz- und Präventivstreife sind die Grundaufgaben des GPT. Ein Koordinator wird durch die beteiligten Behörden bestellt und gestaltet unter anderem einen Dienstplan, der sich an den sicherheitsrelevanten Erfordernissen im gemeinsamen Grenzgebiet orientiert. Das Team soll auf 20 Beamte und Beamtinnen aufgestockt werden, es umfasst zurzeit 14 Beamte.
Es entsteht kein neuer Souverän, sondern eine Symbiose von Souveränitäten. Jeder Staat, jede Behörde und damit jeder Beamte und jede Beamtin bleibt für seine Arbeit selbst verantwortlich und nimmt die Aufgaben verantwortlich in seinem Zuständigkeitsbereich war. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsbehörden ermöglicht dann die Symbiose der eigenständigen Verantwortlichkeiten in einem gemeinsamen Team, um sie ganzheitlich und grenzüberschreitend nutzen und einsetzen zu können, ohne die Souveränitäten des jeweilig zuständigen Staates zu verletzen.
Die Konsequenz
Folge dieser neuen strukturellen Kooperation ist die Optimierung der operativ-taktischen Gemeinschaftsarbeit, die Weiterentwicklung der sprachlichen und kulturellen Kompetenz sowie die Verbesserung des Austausches, der Auswertung und der Analyse von Informationen. Insgesamt entsteht ein Netzwerk ‚Grenzüberschreitende Kriminalitätsverhütung und -verfolgung‘. Bisher wurde das Einsatzgebiet des GPT zwar durch die Alltagsorganisation der Sicherheitsorgane bestreift (mit den zuvor dargestellten Einschränkungen), ohne aber operativ-kriminalistische Gesamtzusammenhänge über die Grenze hinaus sofort erkennen zu können, da entsprechende Erkenntnisse nicht gewonnen werden konnten bzw. erforderliche Informationen nicht zeitnah geflossen sind. Durch das neue Team werden die Grenzen des Informationsflusses und der Erkenntnisgewinnung überwunden und können staatenübergreifend für die operative Sicherheitsarbeit genutzt werden. Die Steifentätigkeit des GPT findet additiv zur Streifentätigkeit der Alltagsorganisation statt.
Die Praxis
Im Gegensatz zu den bisher gegründeten gemeinsamen Dienststellen in Kehl, Heerlen und Goch ist das GPT keine Dienststelle, die (nur) Informationen austauscht, sondern eine Team ohne großen administrativen Apparat, das rein operativ arbeitet. Es erhält Informationen, bewertet sie und handelt proaktiv. Die zu Tage gebrachten Sachverhalte werden im ersten Angriff abgearbeitet und dann den örtlich zuständigen Ermittlungsbehörden übergeben.
Das Projekt
Die Idee eines Grenzüberschreitenden, operativen Polizeiteams wurde bei der EUREGIO als Projekt im Rahmen des INTERREG IVa Programms eingereicht und innerhalb kürzester Zeit als Projekt angenommen. So werden die Sachkosten des Projektes mit 75 % aus dem INTERREG IVA Programm finanziell unterstützt und das GPT seitens der EU als innovatives Projekt für die europäische Sicherheitspolitik anerkannt.
Am 26.11.2008 war es dann soweit, das GPT wurde durch die Kick-Off-Veranstaltung durch die Unterzeichnung zweier Kooperationsvereinbarungen offiziell ins Leben gerufen. Die beteiligten Behördenleiter der Bundespolizeidirektion Hannover, der Koninklijken Marechaussee, der Regiopolitie Twente, der Kreispolizeibehörde Borken und der Polizeidirektion Osnabrück als Lead Partner, trafen diese Vereinbarungen zur Institutionalisierung des GPT. Unter großer Beteiligung der Medien und vor 60 geladenen Gästen fand der Festakt zur Institutionalisierung des GPT statt. Ein würdiger Rahmen, der im Nachgang ein großes Echo in den Medien fand.
Martin Piepmeyer, Polizeidirektion Osnabrück Telefon: 0541 – 327 1008
Source: http://www.presseportal.de