Heimatschützer in der Klemme

[fururezone.orf.at] Laut US-Rechnungshof kann das
US-Heimatschutzministerium nicht sagen, ob und wann das automatisierte
Biometriesystem für Ein- und Ausreisende (US VISIT) wie geplant
funktionieren wird. Heimatschutzminister Michael Chertoff konnte bis
zum Ende seiner Amtszeit jene Vorgaben nicht umsetzen, die er zuvor
seit 2001 als oberster Terrorstrafverfolger der USA selbst formuliert
hatte.

Wenn der neue Präsident der USA, Barack Obama, Mitte Jänner sein Amt
antritt, dann hat er neben all den Kriegen und Finanzkrisen ein
zusätzliches, internes Großproblem am Hals.

Im Ministerium für Heimatschutz herrscht dringender Handlungsbedarf.
Im Dezember legte der Rechnungshof GAO seine Evaluation des
US-VISIT-Programms (United States Visitor and Immigrant Status
Indicator Technology) nach fünf Jahren Laufzeit vor.

Laut dem Bericht ist äußerst ungewiß, ob das automatisierte Ein- und
Ausreisesystem US-VISIT – Stichworte: Passagierdaten, Biometriepässe –
je so funktionieren wird, wie es geplant war.

Die Mängelliste

Nur einer von 13 Problempunkten, in denen US-VISIT die gesetzlichen
Vorgaben seit Jahren nicht umsetzen konnte, wurde zufriedenstellend
gelöst, neun weitere wurden mit "teilweise umgesetzt" und drei als
"nicht genügend" klassifiziert.

Der Finanzplan für US-VISIT habe nicht definiert, für welche Zwecke
man das Budget in Zukunft verwenden werde, auch fehle es an
"Milestones", an deren Erreichung die Ausschüttung dieser Steuergelder
verknüpft sein müsse, kritisiert der Rechnungshof.

200.000 Angestellte

Ein weiterer der als "ungenügend" eingestuften Punkte betrifft
Personalkosten und -management. Der Inhalt kurz zusammengefasst: Der
für "Human Ressources" zuständige Chief Officer habe keinen Überblick,
wie viel Personal zur Verfügung stehe und wie es um dessen
Qualifikation bestellt sei, so der GAO-Report.

Das Ministerum für Heimatschutz ist nach dem
Verteidigungsministerium und jenem für Veteranen mit 200.000
Angestellten das drittgrößte Ressort der amtierenden Regierung.

Fehlende Exit-Strategie

Das dritte Hauptproblem ist paradoxerweise identisch mit jenem des
Irak-Krieges: Es fehlte von Anfang an eine realistische Exit-Strategie.

Nach wenigen Seiten Lektüre dieses umfangreichen Berichts (139
Seiten) fällt auf, wie häufig das Wort "Exit" im Text auftaucht, denn
genau das ist bei US-VISIT ein schier unlösbares Problem.

Wer kontrolliert?

Nur eins war bei einem Programm, das vollständig auf der Zeitmessung
von Ein- und Ausreisekontrollen basiert, stets ungeklärt geblieben: wer
nämlich die Kontrollen bei der Ausreise durchführt.

Auch hier müssen dieselben Regeln wie bei der Einreise gelten,
nämlich biometrische Kontrollen durchgeführt werden, denn Kernstück des
Systems ist die zentrale IDENT-Datenbank, die automatisch berechnet, ob
sich die Person legal im Land aufgehalten hat oder nicht.

Die Pläne des Ministeriums, alle Fluglinien zu Ausreisekontrollen zu
verpflichten, würde "weniger Sicherheit und Datenschutz" auch für
Staatsbürger der USA bedeuten, schreibt dazu der Rechnungshof.

Aeroflot für den Heimatschutz

Was in diesem Bericht, der nur die öffentliche, mit dem
Heimatschutzministerium abgestimmte Version eines Geheimberichts
darstellt, nicht explizit steht: Das würde bedeuten, dass Unternehmen
wie Aeroflot und Air China direkt an die zentralen Datenbanken des
US-Ministeriums für Heimatschutz angeschlossen werden.

Die Landgrenze

Erst versuchte man seitens der Heimatschützer, sich über die
gesetzlichen Vorgaben zu biometrischen Ausreisekontrollen durch den
Einsatz von Funkchips hinwegzuschummeln, was nach Auffliegen zur
Streichung der betreffenden Pilotprojekte führte. Dann erwog man doch
einen Umbau.

Für San Ysidro merkte der Rechnungshof 2007 an, dass zusätzliche 18
Fahrspuren auf der Ausreise-Seite nötig seien, der Übergang aber in
dicht verbautem Industriegebiet liege. Eine völlige Neuerrichtung des
Übergangs ein paar Kilometer weiter sei womöglich billiger, hieß es.

Das freilich ist nicht der einzige grundlegende Designfehler eines
Systems, das auf den Biometrievorgaben des Notstandsgesetzes USA
PATRIOT Act basiert, dessen Koautor Michael Chertoff heißt.

Das Fazit

Nach fünf Jahren könne US VISIT weder einen Zeitplan für die
Implementierung eines funktionierenden Austrittskontrollsystems
vorlegen noch einen Nachweis erbringen, dass ein solches System binnen
fünf Jahren implementierbar sei, hieß es.

Chertoff konnte also bis zum Ende seiner Amtszeit 2009 jene Vorgaben
nicht erfüllen, die der damals oberste US-Strafverfolger in Sachen
Terrorimus, Chertoff, ab Oktober 2001 im PATRIOT ACT vorgelegt hatte.

(futurezone/Erich Moechel)

Quelle: futurezone.orf.at