[heise.de] Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannovers (10 A
2412/07) ist die vom Bundeskriminalamt und den Bundesländern geführte
Datei "Gewalttäter Sport", auch als"Hooligan-Datei" bekannt,
möglicherweise rechtswidrig. Das Gericht stützt sich dabei auf die
Auffassung, dass eine solche "Verbunddatei" nicht ohne Rechtsverordnung
und Zustimmung des Bundesrates geführt werden darf. Weil dies nicht
geschehen sei, sei die Datei rechtswidrig angelegt worden. Die
umstrittene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ist kurz vor
Weihnachten vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt worden. Gegen
die Entscheidung hat die Polizeidirektion Hannover Revision beim
Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes reicht weit über den unmittelbaren Anlass hinaus. Geklagt hatte ein Hannoveraner Fußballfan, der als Ultra
eingestuft und in der Datei "Gewalttäter Sport" (GWS) gespeichert
wurde. Das Gericht befand, dass seine Daten gelöscht werden müssen,
weil die Datei insgesamt gegenwärtig unzulässig sei. Das Gericht
bemängelte eine fehlende Rechtsverordnung. Außerdem verneinte es die
Argumentation des zuständigen Bundesinnenministeriums, nach der das
Ministerium "nach eigenem Ermessen entscheiden könne, ob die
Verbunddateien mit oder ohne eine Rechtsverordnung geführt werden".
Eine solche Ermessensfrage sei weder vom Gesetzeswortlaut noch in der
inneren Systematik des Gesetzes, noch in der Gesetzgebungsbegründung
gestützt.
Ausdrücklich ist von Verbunddateien die Rede, von denen
Bundeskriminalamt und Länderpolizeien eine Vielzahl von Datenbanken
gemeinsam pflegen, füllen und durchsuchen. So betrifft das Urteil nicht
allein die "Hooligan-Datei", sondern auch andere Verbunddateien, die
nach dem gleichen Schema der GWS-Datei angelegt sind. Insbesondere
berührt dies die vom Bundeskriminalamt angelegten Dateien LIMO
(Erfassung politisch links motivierter Straftaten), REMO (Erfassung
rechtsorientiert politisch motivierter Straftäter) und AUMO (Straftäter
politisch motivierter Ausländerkriminalität). Möglicherweise ist sogar
die nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz rechtlich korrekt vom Parlament
abgesegnete Anti-Terror-Datei
betroffen, in der viele Einzeldateien zusammengeführt werden. Auch die
Zusammenarbeit europäischer Polizeien im Rahmen von Interpol ist
gegenwärtig betroffen, denn ausländische Behörden dürfen ebenso wenig
auf rechtswidrig angelegte Datenbestände zugreifen wie die hiesigen
Ermittler.
Neben der grundsätzlichen Klärung der Frage durch das
Bundesverwaltungsgericht könnte ein Weg darin bestehen, dass das
Innenministerium nachträglich eine Rechtsverordnung erlässt und diese
ins Parlament zur Abstimmung gibt. Bis dahin haben Sportfans gute
Chancen, ihre Datensätze aus der Datei "Gewalttäter Sport" löschen zu
lassen. Wie die Frankfurter Rundschau
berichtet, sind zahlreiche Fußballfans dabei, das Löschen ihrer Daten
zu beantragen. Nach der Arbeit bei der Fußball-WM sieht die Zentrale Informationstelle Sport
(ZIS) in Neuss einen Berg von Arbeit auf sich zukommen. Sie ist für die
Pflege der Datei "Gewalttäter Sport" zuständig. Die seit 2000 geführte
Datei "Gewalttäter Sport" wird seit langer Zeit von den Datenschützern
kritisiert. (Detlef Borchers) /
(jk/c’t)
Quelle: heise.de