G8-Gipfel mit Drohnen und Datenbanken gesichert

J. de St. Leu, Matthias Monroy

Zwei Wochen vor dem Treffen der G8 in Italien gewinnen die
Dimensionen der Sicherheitsvorbereitungen an Kontur. Auch deutsche
Behörden sind involviert

Für den Aufbau der "Sicherheitsarchitektur" zum G8-Gipfel
fahren italienische Sicherheitsbehörden zusammen mit dem Militär ein
beträchtliches Arsenal von Technik und Maßnahmen auf, das nicht zuletzt
auch etwaigen Protest kontrollierbar machen soll (G8-Luxusliner ankert jetzt im Erdbebengebiet). Rund 40 Regierungsdelegationen
werden nach der Verlegung des Gipfels vom sardischen La Maddalena in
die Polizeischule Coppito am Stadtrand von L’Aquila in den Abruzzen
erwartet, Die meisten der 4.000 Delegierten pendeln zwischen Rom,
Pescara und L‘ Aquila. 13.000 Polizisten sollen im Einsatz sein. Allein
die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen werden derzeit auf 90 Mio €
beziffert.

Waffenschau und "integrierte Kontrollsysteme"

Zur Kontrolle des Luftraums arbeitet der italienische Zivilschutz eng
mit dem Militär zusammen. Neben den von vergleichbaren Ereignissen
bekannten Awacs-Aufklärern (beim NATO-Gipfel in Strasbourg unter NATO-Kommando)
sollen Kampfjets (F-16, Eurofighter) und Predator-Drohnen eingesetzt
werden. Der Einsatz von militärischen Drohnen bei "polizeilichen
Großlagen" war zuvor nur vom G8 2003 im französischen Evian sowie der
Euro08 in der Schweiz bekannt geworden. Auch zur Olympiade und dem G8
in Kanada 2010 werden Predator-Drohnen der US-Armee ins
Sicherheitskonzept eingebunden.

In diesen Tagen installieren italienische Artilleriesoldaten in den
Abruzzen ein Sortiment von Boden-Luft-Raketen (Aspide, Hawk, Patriot).
Der Kleinflughafen Preturo in der Nähe von L’Aquila wurde für größere
Maschinen umgebaut und mit einer Straße zur Polizeikaserne verbunden.
In allen Zivilflugzeugen, die Preturo ansteuern, fliegen Beamte der
Finanzpolizei mit.

Die IT-Infrastruktur für Polizei und Militär wird von der italienischen Selex sistemi integrati, einem Ableger des wehrwirtschaftlichen "Global Players" Finmeccanica, bereitgestellt. Auf der Pariser Luftfahrtschau in Le Bourget hatte Selex kürzlich stolz erklärt,
ihr "Strategic Situation Centre" sei in der Lage, "sämtliche Systeme
des Finmeccanica-Konzerns zu aktivieren": "Von Naturkatastrophen bis
hin zu terroristischen Aktionen und zur Handhabe von größeren und
kleineren Ereignissen bis hin zur Bekämpfung der Schiffspiraterie."

Die Struktur muss für den G8 nicht neu aufgesetzt werden. Selex warb
damit, dass eines ihrer Systeme derzeit vom italienischen Zivilschutz
für die Katastrophenbewältigung in den Abruzzen genutzt würde. Die
"Dicomac"-Soft- und Hardware ("Direktion Kommando und Kontrolle") wurde
offenbar bereits eine Stunde nach dem Erdbeben in L’Aquila aktiviert.
"Dicomac" besteht aus einem Lagezentrum, das Produkte und Systeme des
Finmeccanica-Konzerns integriert. Laut Eigenwerbung ist Finmeccanica
der "einzige Player im Luft- und Raumfahrtsektor wie im
Verteidigungssektor, der in der Lage ist, integrierte Lösungen auf
jedem Niveau zu bieten – vom Sensor bis zur Plattform, von den
komplexen Untersystemen bis zu Großsystemen". Den Markt für Systeme wie
das "Strategic Situation Centre" schätzt Finmeccanica für den zivilen
und militärischen Bereich auf ein Volumen von rund 5 Mrd €, den eigenen
Anteil daran auf 10 bis 15%.

Verschärfte Grenzkontrollen

Wie beim kürzlich abgehaltenen Treffen der G8 Innen-
und Justizminister vom italienischen Gastgeber Maroni angekündigt, soll
es eine besondersausgedehnte Aufhebung des Schengener Abkomnmens
vom 28. Juni bis 15. Juli geben. Alle EU- Regierungen seien
diesbezüglich, "wie es anlässlich von wichtigen Events vorgesehen ist",
brieflich kontaktiert worden.

Maroni erklärte, zur Verbesserung präventiver Abweisungen müssten
Grenzkontrollen frühzeitig angesetzt werden. Selbst nach dem G8 sei ein
Spielraum von einigen Tagen vonnöten, um etwaige Straftäter noch bei
der Ausreise festnehmen zu können.

Berichte
italienischer Medien lassen darauf schließen, dass neben Kontrollen von
Flughäfen, Zügen, Häfen und großen Autobahnen selbst längst verwaiste
Übergänge mit Grenzpolizei besetzt werden sollen. Im Rahmen einer
Operation "Tor zum Sommer" begann
die italienische Polizei kürzlich, den Auto- und Zugverkehr in
Grenzbereichen für die Dauer von 40 Tagen über "sämtliche Bereiche des
Grenzhinterlands auf den Straßen und im Zugverkehr" verstärkt zu
kontrollieren.

Die Kontrollen sollen zur Verhinderung der Einreise sogenannter "reisender Gewalttäter" dienen ("Troublemaker" im Visier),
eine Praxis, die zuletzt beim NATO-Gipfel in Strasbourg und Baden-Baden
heftige Kritik auslöste. Bereits bei der Ausreise aus Deutschland
wurden potentielle Demonstranten von der Bundespolizei gestoppt und mit
einem Ausreiseverbot belegt. Viele waren zuvor in behördlichen
Datenbanken wie "Gewalttäter links" oder "International agierende
gewaltbereite Störer" (IgaSt) gespeichert worden, die wiederum in der
bundesweiten Datei "INPOL" integriert sind. Dabei muss längst keine
Verurteilung vorliegen, um in den Datenbeständen von LKAs oder dem BKA
zu landen. Als Anlass zur Speicherung dienen eingestellte Verfahren,
bloße Verdachtsmomente und Ermittlungen – oder schlicht das Pech, bei
einem früheren Gipfel kontrolliert oder "präventiv" in Gewahrsam
genommen worden zu sein. Sogar das "Umfeld" eines Verdächtigen wird
archiviert. Betroffene erfahren in der Regel erst bei einer
polizeilichen Maßnahme, wie etwa der Ausreiseversagung, von einer
Speicherung.

Gegen die Bescheide der Bundespolizei im Rahmen des NATO-Gipfels hatten
zahlreiche Aktivisten Widerspruch eingelegt, denen in den meisten
Fällen vom zuständigen Gericht im Eilverfahren stattgegeben wurde. Den
Demonstranten freilich nutzte dies wenig. Beim erneuten Grenzübertritt
wurden sie kurzerhand von der französischen Polizei mit einem
Einreiseverbot belegt. Französische Verfolgungsbehörden hatten hierfür
Zugang zu entsprechenden deutschen Datenbanken erhalten. Die
italienische Polizei wird ebenso von deutscher Seite mit Datensätzen
potentieller linker Aktivisten versorgt.

Die Bundespolizei erklärt in der Antwort auf eine Kleine Anfrage
der Linkspartei, auch zum G8 in Italien "im Grenzraum und insbesondere
auf Flughäfen lageabhängige Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen
durchzuführen". "Gegebenenfalls" würden Ausreiseversagungen
ausgesprochen. Grundlage solle die "Abwägung aller Umstände" und eine
"objektive" Gefahrenprognose darstellen. Beim NATO-Gipfel genügten zur
"objektiven Gefahrenprognose" "szenetypisches Aussehen" oder das
Mitführen schwarzer Kleidung. Selbst Mitfahrenden wurde dann die
Weiterreise versagt.

Auch das Bundeskriminalamt verspricht einen
"Informationsaustausch auf dem Gebiet der politisch motivierten
Kriminalität mit den italienischen Behörden". BKA und Bundespolizei
entsenden vom 1. bis 10. Juli sogenannte Verbindungsbeamte nach Rom. In
der "Direzione Centrale di Polizia Criminale" und dem
"Verbindungskräftezentrum" in Rom arbeitet sie unter anderem mit
Beamten von Interpol, der größten internationalen Organisation nach den
UN, zusammen.

Die auf italienischer Seite für politischen Protest zuständige
Abteilung der politischen Polizei ist die "Divisione Investigazioni
Generali e Operazioni Speciali" (DIGOS). Die DIGOS ist zuletzt mit der
spektakulären Verhaftung
von sechs Aktivisten in Erscheinung getreten, denen sie unterstellt,
dass sie den Wiederaufbau der Roten Brigaden und einen Anschlag mit
einem Modellflugzeug auf den G8-Gipfel geplant hätten. Als Beweis
dienten 30 Jahre alte, im Garten ausgegrabene verrostete Pistolen.
Die DIGOS hatte anlässlich des G8 mit dem BKA bereits zuvor Daten zu
"polizeilichen Erkenntnissen" über mindestens vier Personen
ausgetauscht. Den Betroffenen steht eine lange Speicherung bevor. Das
BKA führt selbst noch Aktivisten, die beim G8 2001 in Genua von
italienischer Polizei brutal verhaftet und verprügelt wurden, in seinen
Archiven.

Source: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30612/1.html