US-Terrorfahnder: EU-Front gegen Datenweitergabe bröckelt

In der Europäischen Union wächst der Druck auf Deutschland und Österreich, dem umstrittenen Abkommen zur Weitergabe von Bankdaten an US-Terrorfahnder zuzustimmen. Frankreich und Finnland hätten ihre Datenschutzbedenken bereits "weitgehend aufgegeben", sagten EU-Diplomaten der FTD.

von Reinhard Hönighaus  Brüssel, Monika Dunkel, Berlin und Sabine Muscat  Washington

[ftd.de] Nur Italien und Griechenland teilten weiterhin die skeptische Haltung der Regierungen in Berlin und Wien. Um die Gegner des Abkommens vor dem Treffen der EU-Innen- und Justizminister am 30. November umzustimmen, hat die EU-Kommission den Botschaftern der Mitgliedsstaaten eine Liste mit Fahndungserfolgen präsentiert. So soll die Verhaftung der Sauerland-Gruppe mit der Auswertung europäischer Bankdaten durch US-Ermittler zusammenhängen: "Diese Informationen haben zu den Ermittlungen und der Verhaftung von Mitgliedern der Islamischen Dschihad-Union (IJU) beigetragen, die in Deutschland Anschläge geplant haben", heißt es in dem Papier, das der FTD vorliegt. Auch bei der Verurteilung von drei Terroristen in Großbritannien seien die Bankdaten hilfreich gewesen.

Mit dem Abkommen will die schwedische EU-Präsidentschaft US-Ermittlern den Zugriff auf europäische Überweisungsdaten auch in Zukunft sichern. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte das US-Finanzministerium begonnen, internationale Transaktionen auszuwerten. 2006 war aufgeflogen, dass die Ermittler Server des belgischen Zahlungsdienstleisters Swift in den USA durchforsteten, um Geldquellen von Terroristen aufzudecken. Über Swift läuft ein Großteil des Zahlungsverkehrs von und nach Europa.

Auf Druck europäischer Datenschutzbehörden baute Swift seither neue Rechnerkapazitäten in der Schweiz und den Niederlanden auf, über die ab Ende 2009 alle europäischen Transaktionen laufen werden. Durch das neue Abkommen, das zunächst für ein Jahr gelten soll, sollen die US-Ermittler dennoch Zugriff auf die Daten behalten – über den Weg der Amts- und Rechtshilfe. Datenschützer kritisieren, dass die EU keine Kontrolle darüber hat, was mit den Daten geschieht. Bürger hätten keine Klagemöglichkeit, wenn ihre Daten missbraucht werden. Auch die Weitergabe an Drittstaaten ist umstritten. Frankreich würde sich laut EU-Diplomaten aber zufriedengeben, wenn die US-Ermittler nicht die Bankdaten weitergeben, sondern nur ihre Ermittlungsergebnisse.

Die Bundesregierung hat weiter gehende Datenschutzbedenken. Sie lehnt es bisher auch ab, das Abkommen einen Tag vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags am EU-Parlament vorbeizuschleusen. Mit dem Lissabon-Vertrag bekommt das EU-Parlament ab 1. Dezember mehr Mitsprache in der Justiz- und Innenpolitik. Der Zentrale Kreditausschuss der an Swift beteiligten Banken riet Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in einem der FTD vorliegenden Brief von einem "übereilten Vorgehen" ab. Der Datenschutz könne durch das Abkommen "konterkariert" werden. Zudem könnten die US-Fahnder künftig nicht nur auf Swift, sondern auf jedes Kreditinstitut zugreifen.
Die amerikanische Regierung sieht keinen Grund, das Abkommen neu zu verhandeln. "Das Programm des Finanzministeriums hat zum Schutz der Bürger in den USA und in Europa beigetragen und hat eine Schlüsselrolle bei einer Vielzahl von Terrorermittlungen auf beiden Seiten des Atlantiks gespielt", sagte eine Ministeriumssprecherin in Washington. Die USA hätten "substanzielle und wirksame" Datenschutzmaßnahmen angewendet, "und diese Schutzmaßnahmen bleiben bestehen".

Source: http://www.ftd.de/politik/europa/:us-terrorfahnder-eu-front-gegen-datenweitergabe-broeckelt/50041413.html