TU Berlin: Wie viel Sicherheit ist im digitalen Zeitalter möglich?

Die TU Berlin mit neuem Zukunftsfeld "Zivile Sicherheitsforschung"

[idw-online.de] Der Akademische Senat der TU Berlin hat am 3. Februar 2010 einstimmig die Einrichtung des neuen Zukunftsfeldes "Zivile Sicherheitsforschung" beschlossen. Damit reiht sich die Universität in die regionalen, nationalen und internationalen Forschungen zum Thema Sicherheit ein. Neben den bereits definierten Zukunftsfeldern Energie, Gestaltung von Lebensräumen, Gesundheit und Ernährung, Information und Kommunikation, Mobilität und Verkehr, Wasser und Wissensforschung ist dies der achte Forschungsschwerpunkt an der TU Berlin.

Mehr als 40 Fachgebiete an 18 TU-Instituten befassen sich derzeit mit sicherheitsrelevanten Forschungen wie Sicherheit in Warenketten, biometrische Erkennungssysteme, die Vertrauenswürdigkeit in IT-gestützten Medizinsystemen und "eGovernment", also dem Regieren und Verwalten mit Unterstützung moderner Informationstechnologien. Jüngste Fälle von Datenklau- und Datenmissbrauch, die öffentliche Diskussion über Ganzkörperscanner oder den Ankauf von gestohlenen Daten durch die Bundesregierung im Zusammenhang mit Steuerhinterziehungen zeigen die Relevanz wie auch die Brisanz des Themas und offenbaren, wie verletzlich die Gesellschaft im digitalen Zeitalter geworden ist.

An der TU Berlin soll ein starker Forschungsschwerpunkt entstehen, der seinen Fokus ausschließlich auf die zivile Sicherheitsforschung legt. Ziel ist es, die bereits bestehenden Forschungen zu bündeln, nach außen sichtbarer zu machen und vor allem Forschung zu betreiben, die den Sicherheitsbedürfnissen der Menschen gerecht wird. "Es hat keinen Sinn, neue Technologien zu entwickeln, wenn diese nicht das Bedürfnis des Menschen nach Privatheit berücksichtigen und vom Bürger nicht akzeptiert werden", sagt Prof. Dr. Jörg Krüger, Leiter des Fachgebietes "Industrielle Automatisierungstechnik" an der TU Berlin und Geschäftsführer des Fraunhofer-Innovationsclusters "Sichere Identität", an dem die TU Berlin neben fünf Fraunhofer-Instituten, vier Hochschulen und zwölf Wirtschaftsunternehmen beteiligt ist. Die Gewährleistung von Privatheit und Akzeptanz seien die zwei wichtigen Schlüsselwörter, an denen sich die Forschungen zu neuen Technologien orientieren müssten, so Krüger.

Die Sicherheitsforschungen an der TU Berlin werden auf vier Kompetenzfeldern erfolgen:
– Sicherheitstechnologien,
– Sicherheit in Informations- und Kommunikationstechnologien,
– angewandte Sicherheit (zum Beispiel Sicherheit in Transport und Logistik,
Infrastrukturen und im Krisenmanagement) und
– Sicherheits- und Technologiestudien (subjektive Sicherheit, Verbauchersicherheit, Gebrauchstauglichkeit).

Um die verschiedenen Forschungsaspekte aufzuzeigen, widmet sich eine neue Veranstaltung in der Reihe "Technische Universität Berlin – Think Tank der Innovationen" dem Thema "Sichere Identität und sichere Kommunikation", zu der wir interessierte Medienvertreter herzlich einladen möchten.

Zeit: am Mittwoch, dem 17. Februar 2010, 18.00 Uhr
Ort: Atrium der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom AG, Französische Str. 33 a-c, 10117 Berlin

Die Veranstaltung ist nicht öffentlich.

Mit den Referaten zu Herausforderungen und Chancen einer sicheren Identität als Impulsgeber für innovative Produkte und Prozesse, zur Sicherheit durch Virtualisierung und zur Hardwareentwicklungen für übergreifende Sicherheitslösungen wird ein Ausschnitt aus diesem Kompetenzfeld präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Die Think-Tank-Reihe thematisiert gesellschaftlich relevante Zukunftsfragen und soll die Potenziale der TU Berlin und die Kooperationsmöglichkeiten mit der regionalen Wirtschaft sichtbar machen. Veranstalter sind der Präsident der TU Berlin, die Industrie- und Handelskammer Berlin und die Gesellschaft von Freunden der TU Berlin.

Programm

Begrüßung
Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Kutzler, Präsident der TU Berlin

"Sichere Identität im digitalen Zeitalter – Herausforderungen und Chancen"
Dr. Manfred Paeschke, Bundesdruckerei GmbH

"Sichere Identität – Impulsgeber für innovative Produkte und Prozesse"
Prof. Dr.-Ing. Jörg Krüger, TU Berlin, Fachgebiet "Industrielle Automatisierungstechnik", und Fraunhofer-Innovationscluster "Sichere Identität" Berlin-Brandenburg

"Das Königreich der Blinden: Sicherheit durch Virtualisierung"
Prof. Dr. Jean-Pierre Seifert, TU Berlin und Deutsche Telekom Laboratories, Fachgebiet "Security in Telecommunications"

"Identifikationschips für übergreifende Sicherheitslösungen"
Dr. Thomas Wille, NXP Semiconductors Hamburg

"Zivile Sicherheit – ein neues Zukunftsfeld der TU Berlin"
Prof. Dr. Johann Köppel, TU Berlin, 2. Vizepräsident

Podiumsdiskussion mit
Dr. Manfred Paeschke, Bundesdruckerei GmbH,
Dr. Wolfgang Both, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen,
Prof. Dr.-Ing. Jörg Krüger, TU Berlin,
Prof. Dr. Jean-Pierre Seifert, TU Berlin,
Dr. Thomas Wille, NXP Semiconductors Hamburg,
Prof. Dr. Johann Köppel, TU Berlin

Moderation: Prof. Dr.-Ing. Jürgen Starnick, TU Berlin und Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft von Freuden der TU Berlin
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Aus organisatorischen Gründen möchten wir Sie bitten, sich zur Think-Tank-Veranstaltung "Sichere Identität und sichere Kommunikation" bis zum 16. Februar 2010 anzumelden per E-Mail pressestelle@tu-berlin.de oder per Fax: 030/314-23909.

Ort: Atrium der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom AG, Französische Str. 33 a-c, 10117 Berlin

Source: http://www.idw-online.de/pages/de/news354505

One response to “TU Berlin: Wie viel Sicherheit ist im digitalen Zeitalter möglich?”

  1. Verschluesselungsfanatiker

    Am Aschermittwoch 2010 fand im Atrium des ehemaligen kaiserlichen Telegraphenamtes — heute mit nicht weniger monarchischem Pathos „Hauptstadtrepräsentanz“ der Deutschen Telekom AG genannt — die 7. Diskursveranstaltung der Reihe „Technische Universität — Think Tank der Innovationen“ diesmal zum Thema „Sichere Identität und sichere Kommunikation“ statt. Die Session war als „nicht öffentlich“ angekündigt und laut Webseite sollte „der Einlass nur nach Anmeldung und mit Einladungskarte“ möglich sein. In der Praxis erwies sich dieser Exklusivitätsanspruch dann doch etwas brüchig: So wurden auch ohne Identitätsnachweis vorab gedruckte Jeck_innenlisten handschriftlich ergänzt und fehlende Namensschilder nachgefertigt. Das Publikum bestand nahezu vollständig aus älteren Wissenschaftler_innen und Unternehmensvertreter_innen. Jüngere Menschen aus dem närrisch-akademischen (z.B. Studierende) oder kapitalistisch-industriellen Umfeld (Praktikant_innen?) waren nicht nur unterrepräsentiert sondern Singularitäten in einem Kuriositätenkabinett der besonderen Art. Für die Planung und Organisation der gesamten Veranstaltungsreihe, also auch für die konkrete Auswahl der Vortragenden und weiteren Akteure der Podiumsdiskussion, zeichnete sich das Dreigestirn bestehend aus dem Präsidenten der TU Berlin, der Industrie- und Handelskammer Berlin sowie die Gesellschaft von Freunden der TU Berlin verantwortlich, deren Prinz Jürgen Starnick als närrischer Moderator durch den Abend führte.

    Nach einer kurzen Begrüßung und Einordnung des Zukunftsfeldes „Zivile Sicherheitsforschung“ durch Kurt Kutzler gab es vier Hauptvorträge zu hören. Die Inhalte des angekündigten fünften Vortrags wurden zu Beginn der Podiumsdiskussion von Johann Köppel (Zweiter Vizeprinz der TU Berlin) nur kurz angesprochen.

    Der erste Vortrag von Manfred Paeschke (Bundesdruckerei GmbH) mit dem Titel „Sichere Identität im digitalen Zeitalter — Herausforderungen und Chancen“ befasste sich zunächst mit dem Begriff der „Identität“, wobei überraschenderweise auch sozio-philosophische Betrachtungen (z.B. Gegensatz von Identität und Rolle nach Manuel Castells „The Power of Identity“) kurz erwähnt wurden. Der Vortragende ging dann jedoch schnell zur Produktpalette seines Arbeitgebers, d.h. zu Identitätsnachweisen (Ausweise) bzw. zur Identitätsbestimmung (Biometrie) über. Im Bereich der „Next Generation Biometrie“ wurden u.a. „Verhaltensanalyse“ und „Absichtserkennung“ als innovative Methoden genannt. Die Zukunft sieht Paeschke im „advanced robotics“ mit der Möglichkeit zur „vernetzten Erkennung“ der Identität. Als Hindernis auf dem Weg zur sicheren Identität wurde u.a. das Problem der „nichtregistrierten Geburten“ (d.h. keine Geburtsurkunde, z.B. in Ländern der Dritten Welt oder in Katastrophengebieten) genannt. Der erste Teil des Vortrags mündete schließlich im Schlagwort „Identity Revolution“, deren Herausforderungen der Vortragende vor allem in der „globalen Mobilität“ und „vertrauenswürdigen Identitätsdokumenten“ sieht. Der zweite Teil beschäftigte sich dann erwartungsgemäß mit Forschungsprojekten und Produkten der Bundesdruckerei, um diese Herausforderungen zu meistern. Konkret wurden sowohl die eID-Funktionalität des neuen Personalausweis als auch eingebettete Displays („display on card“) auf eInk oder OLED Basis angesprochen. Als Anwendungsszenarien dienten schließlich Grenz- und Zutrittskontrollsysteme sowie die elektronische Halterumschreibung von KfZ-Dokumenten inklusive Änderung des KfZ-Kennzeichens im Display. Laut Paeschke hat Berlin mit seinen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen eine hervorragende Ausgangsposition im Bereich der sicheren Identität.

    Im zweiten Vortrag beschäftigte sich Jörg Krüger (TU Berlin, Fraunhofer-Cluster Berlin-Brandenburg) mit dem Thema „Sichere Identität — Impulsgeber für innovative Produkte und Prozesse“. Ausgehend von einer kaptialistischen Verwertungsanalyse (jährlicher B2B-Online-Umsatz > 5.000 Mrd. Euro) und einer Umfrage der BITKOM (U-Ton: ‚über 50% der Befragten würden eine neue Technologie nutzen‘) wurde vom Vortragenden relativ schnell der Schutz der Identität betont. Neben den dabei üblicherweise genannten Szenarien für Menschen (Privatsphäre in sozialen Netzwerken) sieht Krüger mit dem Begriff „Identität bei Objekten“ vor allem Produkt- und Markenschutz tangiert. Im Hauptteil des Vortrags wurden diverse laufende Projekte (ca. 6 Mio. Euro) aus dem Fraunhofer Cluster „Sichere Identität“ vorgestellt: Organische LED/TFT-Technologie, mehrlagige Schaltungen auf Polycarbonat-Basis, biometrische Authentifizierung mittels 3D-Gesichtsbildern, optische(!) Echtheitsprüfung von Ausweisdokumenten durch automatische Mustererkennung, eKfZ-Card, myID.privat (Szenarien für Aggregier- und Separierbarkeit von Attributen zur Gewährleistung von Datensparsamkeit), eGovernment-Prozesse, Inherent ID (inherente „Qualitätsmerkmale“ zur Erkennung von Plagiaten nutzen). Industriepartner in diesen Projekten sind u.a. die Bundesdruckerei, Daimler, TES, iABG, Wincor-Nixdorf, Xetos AG, Sagem Orga. Abschließend erwähnte Krüger den 2. Kongress Sichere Identität am 13./14. April in Berlin.

    Jean-Paul Seifert (TU Berlin, Deutsche Telekom Laboratories) hatte offensichtlich Berührungsängste mit der stationären Tontechnik, wodurch die Akkustik beim dritten Vortrag etwas eingeschränkt war. Hinter dem plakativen Titel „Das Königreich der Blinden: Mehr Sicherheit durch Virtualisierung?“ verbarg sich die aus Funk und Fernsehen bekannte „Blue Pill attack“ in Kombination mit einem nicht überraschenden Un(ent/unter)scheidbarkeitsresultat.

    Schließlich war Thomas Wille (NXP Semiconductors) mit dem Thema „Identifikationschips für übergreifende Sicherheitslösungen“ an der Reihe: Nach einer sehr amüsablen Präsentation der bekannten Angriffsszenarien (Washington Domino Pizza Attack) wurden verschiedene Schutzmechanismen für Smart Cards vorgestellt. Neben klassischen Schutzmechanismen wurden auch „physical unclonable functions“ (PUFs) angesprochen. Willes Ausführungen waren im Angesicht des MIFARE-Hacks durchaus von einer gewissen Selbstironie gezeichnet.

    Die Podiumsdiskussion wurde von Johann Köppel eingeleitet, der die Schwerpunkte (robust/resilient systems, sensing/monitoring, organizing security, security and privacy) des neu eingerichteten Zukunftsfeldes „Zivile Sicherheitsforschung“ skizzierte und den „ausschließlich zivilen“ Charakter mehrfach betonte. Der Moderator leitete dann mit dem U-Ton ‚Es gibt auch im zivilen Bereich viel zu tun.‘ zu Wolfgang Both (Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen) über, der die „zivile Sicherheit“ u.a. auch in der Gebäudesicherheit und dem Schutz kritischer Infrastrukturen verortete. Die Diskussion nahm anschließend sehr technische Züge an, obwohl die initierenden Fragen von Jürgen Starnick eher durch fundiertes Halbwissen aus drittklassigen Computermagazinen vorbereitet zu sein schienen.

    Wer akademische Titel/Amtsbezeichnungen vermisst oder Rechtschreibfehler findet darf sie sich entweder denken oder behalten! (U-Ton ungleich O-Ton)