– einige Gedanken zum Polizeikongress –
Vom 2. bis 3. Februar 2010 fand zum 13. Mal der Europäische Polizeikongress in Berlin statt. Ein Kongress auf dem sich die Staatsbüttel aller Couleur, von Polizei, Geheimdiensten, Militär bis hin zu Vertretern aus Wirtschaft und Politik, treffen und sich darüber austauschen wie sie ihr zerstörerisches Werk fortsetzen und weiter perfektionieren können. Es geht um Überwachung aller Art, um Einschätzungen von sozialen Konflikten, Aufstandsbekämpfung, dem Einsatz des Militärs im In- und Ausland und schlussendlich um die Zementierung ihrer Macht durch eine engere Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und der Wirtschaft. Also ein Treffen auf dem die Schlachtpläne für die nächsten Angriffe der herrschenden Klasse im sozialen Krieg verhandelt werden.
Deshalb sollte der Kongress auch als ein Teil dieses Prozesses verstanden werden – als Angriff auf uns alle, der im speziellen jedoch den Menschen gilt, die für ihre Freiheit kämpfen und den Kapitalismus auf dem Müllhaufen der Geschichte sehen wollen.
Der Polizeikongress als solcher ist jedoch kein isoliertes Ereignis. Viel mehr reiht er sich ein in eine lange Liste von ähnlichen Veranstaltungen, die das selbe Ziel verfolgen, aber mit jeweils anderer spezifischer Ausrichtung. Zum Beispiel die SIKO in München, der Celler- bzw. Kieler Trialog, die Konferenzen der Innen- und Justizminister auf nationaler und europäischer Ebene, die etlichen Messen zu Sicherheitstechnik und -ausrüstung oder der Sicherheitskongress, der im Dezember 2009 in Berlin stattfand. Dazu kommen die vielen Treffen, die tagtäglich in irgendwelchen Hinterzimmern abgehalten und wo auch große Deals ausgehandelt werden.
Einige dieser Ereignisse werden seit längerem von breiten Protesten begleitet und deren Inhalte erfahren viel Öffentlichkeit, andere wiederum können relativ unbemerkt durchgeführt werden oder werden erst gar nicht registriert.
In Zeiten von weit verbreiteten Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die herrschenden Zustände und einer Zuspitzung der globalen Konflikte, die in einigen Teilen der Erde zu Revolten und Aufständen führen, und hierzulande wenigstens zu einer höheren Protestbereitschaft und offenen Ohren für mögliche Alternativen, sieht sich die herrschende Klasse zum Handeln gezwungen.
Dadurch gewinnen solche Treffen zunehmend an Relevanz, da sie als Plattform dienen, um die regionalen Sicherheitskonzepte zusammenzuführen und auf den selben Stand zu bringen. Damit sind diese auch in einem globalen Kontext, oder zumindest auf dem der Europäischen Union, anwendbar. Um nur einige dieser supranationalen Institutionen und Beschlüsse zu benennen: Frontex (als europäische Grenzschutzagentur, zur Abwehr von illegalisierter Migration), Europol (als europäische Polizeibehörde zur Bekämpfung „sämtlicher Formen von schwerer internationaler Kriminalität und Terrorismus“), das Stockholmer Programm (mit Vorgaben für eine neue europäische Sicherheitsarchitektur durch den Ausbau der polizeilichen, militärischen und geheimdienstlichen Zusammenarbeit und neuer Maßnahmen im Bereich des Datenaustauschs und der Überwachung des Internets), die Europäische Polizeiakademie (zur Ausbildung der europäischen Polizeien) und das Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (als Denkfabrik zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik).
All diese Institutionen haben eins gemeinsam: sie zielen darauf ab die kommenden Konflikte, welche das Fortbestehen des Kapitalismus zwangsläufig mit sich bringen wird, zu Verwalten und alles was sich gegen die Herrschaft von Staat und Kapital richtet zu kriminalisieren und mit Gewalt niederzuschlagen.
Symbolischen Protest als ersten Schritt hin zum Angriff
Wir denken das wir solchen Machenschaften zukünftig noch mehr Aufmerksamkeit schenken sollten, um diesen sozialen Angriffen der Verfechter des Kapitalismus entgegen zu treten und ihnen das Handwerk zu legen.
Im Falle des Polizeikongresses gab es einige Bestrebungen in diese Richtung.
So gab es eine Reihe von Infoveranstaltungen und eine Vollversammlung, bei denen es viel Hintergrund- wissen zur Thematik und speziell zu Sicherheitstechnik etc. zu erfahren gab. Ebenfalls wurde darüber diskutiert, was dies für uns bedeutet. Schön wäre natürlich wenn sich da ein paar Gedanken gemacht würden, wie wir solche Informationen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen können, da diese auf dem ersten Blick immer sehr trocken und technisch erscheinen.
Seit drei Jahren gibt es eine Demonstration, welche jeweils zu einer Randnotiz in der Tagespresse führte, ohne jedoch die Kritik an der Funktion des Kongresses zu thematisieren. In diesem Jahr gab es wieder eine Demo, diese war relativ schlecht besucht, was aber zum Teil auch der Wetterlage zu verschulden ist. Positiv anzumerken ist, dass die Demo einen Teil der Profiteure und Stützen der europäischen Sicherheitsarchitektur benannte – der Auftakt war vor der Zentrale des Softwarekonzerns SAP, vorbei ging es an einer Filiale der Rüstungsinformatiker PSI und einem Gebäude des LKA, das Ende fand vor dem Berliner Congress Center, dem Tagungsort des Polizeikongresses, statt.
Viele Gruppen aus Berlin übernahmen die Ankündigung für die Demo auf ihren Webseiten und Veröffentlichungen und trugen so zur Verbreitung bei, leider fehlten eigene Initiativen und Ideen, die den Kongress thematisierten, damit wurde der theoretische Input nur der Vorbereitungsgruppe überlassen. Dadurch entstand der unfreiwillige Eindruck, dass nur Experten mit ihrem Fachwissen etwas dazu zu sagen hätten. Mit einer Betrachtung der Thematik als Teil des großen Ganzen und unter der Einbeziehung unserer Ideen und Vorstellungen einer freiheitlichen Gesellschaft in der weder Staaten noch Bullen eine Existenzberechtigung haben, hätten wir alle hoffentlich sehr viel mehr dazu beizutragen.
Was dieses Jahr neu war sind die militanten Angriffe auf am Kongress beteiligte Firmen und Think Tanks in Fragen der Sicherheitspolitik. So wurden zwei Firmenfahrzeuge von „Siemens“ abgefackelt, das Büro der Firma „rola Security Solutions“ mit Farbe und Steinen angegriffen und ein Brandbombenanschlag auf die „Stiftung Wissenschaft und Politik“ verübt.
Diese Anschläge haben für ziemlich viel Aufsehen gesorgt und durch die Verschickung von Bekennerschreiben sahen sich alle Zeitungen dazu gezwungen die Funktion der genannten Firmen und der Stiftung im Bezug auf den Kongress zu erklären.
Durch das Zusammenspiel von öffentlichen Aktionen und militanten Interventionen wurde die Kritik am Kongress thematisiert und von der Presse aufgegriffen. Jedoch denken wir nicht, dass der Erfolg einer Aktion allein an der Resonanz in der Presse gemessen werden darf, dementsprechend sind informelle Aktionen wie Veranstaltungen oder das Verteilen von Flyern, welche darauf abzielen mit Menschen ins Gespräch zu kommen und nicht auf die Vermittlung der Medien angewiesen sind, umso wichtiger und ein elementarer Teil bei der Vermittlung. Durch die Anschläge hat sich aber auch gezeigt, dass es im Netz der Beteiligten an solchen Kongressen sensible Punkte gibt, die mehr Spielraum für Interventionen bieten, als eine von bewaffneten Hundertschaften begleitete Demonstration.
Und genau an diesem Punkt wollen wir ansetzen, um eine nachhaltige Strategie zu entwickeln, welche die Schwachstellen in der Beziehung zwischen Wirtschaft und Staat aufdeckt, um dann dort zuzuschlagen. Dies können einfache Aktionen gegen beteiligte Firmen sein, welche sich um ihr Image fürchten, oder „crash flash mobs“, „die kurz und prägnant an einem Ort auftauchen“, oder aber auch konkrete Eingriffe in den Ablauf solcher Kongresse durch Sabotage (z.B.: Buttersäure in der Lüftungsanlage, Auslösen des Feueralarms, das Verbreiten von Falschinformationen, um Unsicherheit zu schüren und ähnliches).
Ein Vorschlag, um vereinzelte Kämpfe zu einem explosiven Cocktail zu machen
Wie wir der Erklärung zum Angriff auf „rola Security“ entnehmen konnten, gibt es auch bereits Bestrebungen die kommenden großen Anlässe (SIKO, Kieler Trialog, Innenministerkonferenz usw.) in Form einer Kampagne zu begleiten. Wir finden dies eine gute Idee und möchten an dieser Stelle vorschlagen, dies nicht nur konzentriert zu den Kongressen zu tun, sondern immer und überall über das ganze Jahr verteilt, wo sich gute Gelegenheiten bieten am Start zu sein, den Zeitpunkt selber bestimmen, um zu stören, zu verhindern und anzugreifen – mit Flyern, Postern, Farbe oder Brandbomben (ähnlich der DHL-Kampagne). Begrüßenswert wäre es wenn solche Aktionen Bezug aufeinander nehmen, was bei den oben genannten Aktionen im Rahmen des Kongresses in Berlin durch die Verwendung des Slogans „soziale Kontrolle angreifen – Polizeikongress sabotieren“, welcher in den drei Erklärungen auftaucht, bereits geschehen ist. Militante Interventionen sollten von öffentlichen Aktionen begleitet werden und umgekehrt. Um so den mörderischen Absichten der Zivil-Militärischer Zusammenarbeit einen Strich durch die Rechnung zu machen und den Überwachungsstaat zurück zu drängen.
Und dabei sollte nicht vergessen werden immer wieder zu betonen wofür wir stehen und was wir wollen.
In diesem Sinne: Für eine aufständische Perspektive
Zivil-Militärische Zusammenarbeit sabotieren – Soziale Kontrolle angreifen!
Für alle, die sich von der Idee einer solchen Kampagne angesprochen fühlen und sich daran beteiligen wollen, gibt es eine Liste der Firmen und Konzerne, welche auf dem diesjährigen Polizeikongress vertreten waren:
3M Deutschland GmbH, Appear Networks, Bundesdruckerei, Capgemini, Concateno, DAKO Traffic Security System – Reliant intelligence for Control Issues, DeviceLock Europe GmbH, Dräger, ecom instruments GmbH, empolis, Getac, IABG, Kermel, L-1 Identity Solutions, MAVAND Solutions, Mindjet, Mobotix – Innovations Made in Germany, Motify™ – revolutionising community safety, Netzing Solutions AG, Oracle, Palantir Technologies, Panasonic, rola Security Solutions GmbH, RUAG, SAP, SelectaDNA, Secusmart, Siemens, Smiths Detection, SonicWALL, Steria Mummert Consulting, STOOF International, Swivel Secure, Taser, Tetrasim, Thales, T-Systems, Twinsoft, World-Check