„Zum Sicherheitsrisiko erklärt“

Rauswurf eines CCClers vom Polizeikongress

[taz.de] Ein IT-Sicherheitsexperte wurde wegen seiner Mitgliedschaft im Chaos
Computer Club (CCC) aus dem Polizeikongress herausgeworfen. Anlass für
den Rauswurf war ein anonymes Posting auf Indymedia.

taz: Sie wurden gestern aus dem Polizeikongress geworfen. Warum das denn?

CCCler: Ich bin beruflich als
IT-Sicherheitsexperte tätig, und war auch in dieser Eigenschaft auf dem
Polizeikongress. Allerdings vertrete ich gelegentlich auch öffentlich
Interessen des Chaos Computer Clubs. Es hat mich nun offenbar jemand
auf der Veranstaltung als Mitglied des CCC erkannt. Der –
privatwirtschaftliche – Veranstalter fühlte sich durch eine Meldung auf indymedia
bedroht, die eine Verwanzung des Gebäudes behauptete, und unterstellte
dem CCC, daran beteiligt zu sein. Damit wurde ich zum Sicherheitsrisiko
erklärt und gemäß der AGB des Veranstalters ausgeschlossen.

Auf Grund einer Indymedia-Meldung? 

CCCler: Die Entscheidung traf
die Geschäftsführerin der ProPress Verlagsgesellschaft, Herausgeberin
des "Behörden Spiegel" und Veranstalterin des Polizeikogresses.
Offensichtlich war sie nicht in der Lage, zwischen einem unmoderierten
open posting und einer Presseerklärung des CCC e.V. zu unterscheiden.
Die Mitteilung auf indymedia behauptet ja nicht einmal, vom CCC e.V. zu
sein, sondern nimmt Bezug auf den "Chaos Communication Congress", also
eine unserer Veranstaltungen, die auch noch fälschlicherweise mit "CCC"
abgekürzt wurde.

Die haben also tatsächlich geglaubt, das bcc sei verwanzt. Was sagt uns das?

Nicht nur das, sie haben sogar geglaubt, die
Anwesenheit meines Laptops hätte technisch damit irgend etwas zu tun!
Mir hat auch niemand erklären können, welchen Sinn es ergibt, einen
Kongreß, der ja immerhin für Fachbesucher und Journalisten zugänglich
ist, zu verwanzen. Oder warum man eine Verwanzung vor der Veranstaltung
ankündigen sollte, statt einfach hinterher die Mitschnitte
auszuwerten.Oder warum angeblich geheime Besprechungen nicht in dafür
vorgesehenen abhörsicheren Räumen abgehalten werden, die gibt es in
Berlin ja in ausreichender Zahl.

Ich denke, wir sehen hier eine große
Nervosität, gepaart mit Unvermögen, mit solchen Bedrohungslagen adäquat
umzugehen. Das ist natürlich für eine Veranstaltung, deren Tenor ja
gerade der Umgang mit Bedrohungen ist, hochgradig peinlich.

Wie war das praktisch? Haben
die Sie mit Namen angesprochen, oder gar nicht reingelassen oder wie
kann man sich so einen Rauswurf vom Polizeikongress in der Praxis
vorstellen?

CCCler: Ich war ja im Vorfeld
angemeldet und habe eine Teilnahmebestätigung bekommen. Ich ging also
davon aus, daß eine Überprüfung meiner Person stattgefunden hat und
zufriedenstellend verlaufen ist. Eingelassen wurde ich auch ohne
Probleme, und setzte mich in den Vortragssaal, in dem die
Eröffnungsveranstaltung mit Herrn Dr. Ole Schröder vom BMI gerade
begann. Nach kurzer Zeit hatte ich dann eine Hand auf der Schulter und
wurde gebeten, doch mit nach draußen zu kommen. In einem separaten
Bereich wurde ich dann mit dem absurden Vorwurf konfrontiert, ich könne
etwas mit der angekündigten Abhöraktion zu tun haben, und wurde
gebeten, die Veranstaltung doch zu verlassen.

Haben Sie eigentlich den Teilnehmer-Beitrag zurückbekommen?

Natürlich, und das unaufgefordert. So viel Professionalität war dann doch vorhanden.

Wird das ganze ein Nachspiel haben oder nehmen Sie den Rauswurf sportlich?

Im Grunde genommen sehe ich das sportlich, ich
sehe keine Veranlassung, da irgendwelche rechtlichen Schritte
einzuleiten. Das BMI hat uebrigens sein Bedauern zum Ausdruck gebracht
und dementiert, irgendetwas damit zu tun zu haben.

Allerdings, und das ist der Grund, warum ich
diese Geschichte auch in die Öffentlichkeit trage, kann ich es nicht
akzeptieren, daß der CCC in eine linksradikale Ecke gestellt wird, und
eine Mitgliedschaft in unserem Verein Grund für eine Behinderung der
Berufsausübung ist. Satzungsziel des CCC e.V. ist die Wahrung des
Grundrechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit im digitalen
Zeitalter. Wir sind nicht "gegen das System", sondern wir sind für das
System im Sinne unserer verfassungsmäßigen Grundrechte. Und das muß
auch damit vereinbar sein, beruflich aktiv an der Gestaltung unseres
Staates mitzuwirken.

Vielen Dank. Und viel Erfolg beim nächsten Europäischen Polizeikongress.

Source: http://www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/zum-sicherheitsrisiko-erklaert/