Kiel/Lübeck – Polizei, Zoll und Verfassungsschutz erstellen bei Tätersuche heimlich Bewegungsprofile. SPD, Grüne und Linke kritisieren Einsatz, Innenminister verteidigt die Technik.
Wirbel um die sogenannte stille SMS: Polizei, Zoll und Verfassungsschutz setzen verstärkt auf das moderne Fahndungsmittel, um Verdächtige per Mobilfunk zu überwachen oder Straftäter aufzuspüren. Allein beim Landeskriminalamt (LKA) in Kiel ist das „Anpingen“ 2011 in 298 Fällen genutzt worden. Obwohl sich das System bewährt, wächst die Kritik bei der Opposition im Landtag. Innenminister Klaus Schlie (CDU) verteidigt die Ermittlungsmethode: „Zum einen darf sich die Polizei dem technischen Fortschritt nicht verschließen, zum anderen ist der Einsatz rechtlich ganz klar geregelt.“
Das System ist einfach: Sobald die Ermittler eine Person verdächtigen, können Fahnder dessen Mobilfunkanschluss mit richterlicher Zustimmung überwachen. Ganz oben auf der Liste der liebsten Ermittlungsmethoden steht die „stille SMS“, die identisch mit einer herkömmlichen Kurznachricht ist. Einziger Unterschied: Der Empfänger bemerkt nicht, dass sein Handy angefunkt und geortet wird. Auf dem Display des Gerätes wird der Eingang der Botschaft nämlich nicht angezeigt. Allein Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz haben zuletzt jeweils über 100 000 geheime SMS verschickt – mehr als dreimal so viele wie noch 2006. Wie beliebt das System ist, zeigt die Statistik des Zolls: In den ersten sechs Monaten 2011 verschickten die Ermittler bundesweit mehr als 227 000 stille Nachrichten – nur 9000 SMS weniger als im gesamten Vorjahr.
Das LKA in Schleswig-Holstein setzte die Technik im vergangenen Jahr in 298 Ermittlungs-Fällen ein. Allerdings wird pro Mobiltelefon nicht nur eine SMS verschickt. Um beispielsweise Bewegungsprofile von Verdächtigen zu erstellen, werden hunderte, bisweilen sogar tausende der stummen Nachrichten verschickt. „Um die Technik einzusetzen, muss es sich allerdings um erhebliche Straftaten wie Rauschgifthandel oder Bandenkriminalität handeln“, betont Uwe Keller vom Landeskriminalamt.
Eine rechtliche Voraussetzung, die nach Ansicht von SPD-Fraktionsvize Peter Eichstädt aber viel zu ungenau ist. „Da es sich bei der ,stillen SMS’ um einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre handelt, muss die Hürde für diese Eingriffe klar definiert und angemessen hoch sein“, plädiert er. Der immense Anstieg der Fälle bereite ihm Sorgen. „Handy-Ortung darf nicht zu einer Standardmaßnahme werden“, fordert auch der grüne Innenexperte Thorsten Fürter und verlangt von der Polizei mehr Zurückhaltung, bevor die Technik eingesetzt werde. Uli Schippels (Die Linke) geht noch weiter: „Es ist an der Zeit, dass sich jeder Mensch in diesem Land fragt, wann diese Entwicklung die Demokratie in Gefahr bringen wird.“
Source: http://www.ln-online.de/nachrichten/3338811/stille-sms-polizei-ueberwacht-verdaechtige-per-mobilfunk