[heise] Knapp 60 Tage vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in China sind die ohnehin verschärften Sicherheitsmaßnahmen an den Spielstätten in Peking, Qingdao (Tsingtau), Qinhuangdao, Shanghai, Shenyang, Tianjin und Hongkong noch einmal verschärft worden. Was Kritiker als Reaktion auf Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag des Tianmen-Massakers sehen, wird von den chinesischen Behörden als Reaktion auf eine terroristische Bedrohung durch eine turkistanisch-islamistische Bewegung gerechtfertigt, von der bereits mehrere mutmaßliche Mitglieder verhaftet sein sollen. Diese Bewegung soll Aktionen wie das Vergiften von Trinkwasser und die Entführung von Sportlern angekündigt haben. Gegen diese Bedrohung hat die Volksrepublik China das modernste IT-Überwachungsnetzwerk der Welt installiert.
Flugreisende kennen es seit einem Jahr, nun müssen es die Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel an den chinesischen Spielstätten ebenfalls beachten: Scharfe Gegenstände und Flüssigkeitsbehälter dürfen nicht mehr mitgenommen werden. Allein in Peking sollen 15.000 Freiwillige die Einhaltung dieser Bestimmung während der Sommerspiele überwachen. Sie sind ehemalige Polizisten oder Militärangestellte, die teilweise inkognito mit verschiedenen Scanner-Systemen patrouillieren und Verdächtige über das "Just Top"-Netzwerk melden, das mit 150.000 möglichen Teilnehmern derzeit weltweit größte lokale TETRA-Netzwerk. Der Ausbau dieses Netzes begann bereits 2003 mit einem Auftrag an Nokia (heute EADS) und wurde im Herbst 2007 abgeschlossen.
Wenn die Sommerspiele beginnen, unterstützen die jetzt noch übenden Freiwilligen die 40.000 Polizisten, 10.000 Sicherheitspezialisten und 30.000 schwer bewaffneten Polizeikämpfer. In diesen Zahlen sind nicht die Aufgebote der Volksbefreiungsarmee enthalten, die geheim sind. Bekannt ist lediglich, dass 300 Mann der Elitetruppe der "Schneeleoparden" ab sofort in Alarmbereitschaft sind. Neben der schieren "Manpower", auf die Liu Jing, Chinas Vizeminister für öffentliche Sicherheit, auf einer Pressekonferenez verwies, ist man besonders stolz auf die für die Spiele entwickelten IT-Lösungen. Sie sind es, die die Sicherheit der Spiele garantieren sollen.
Den Umfang der Überwachungstechnik erklärten chinesische Sicherheitsberater unlängst in Hongkong am Beispiel des olympischen Parks zu Peking, der das Leichtathletikstadion und das Hallen-Areal für die Schwimmwettbewerbe beherbergt. Allein in diesem Bereich wurden über 4000 Überwachungskameras installiert, der Bilder und Töne rund um die Uhr von einer Hundertschaft von Videospezialisten kontrolliert werden. Zusätzlich ist das gesamte Gebiet des olympischen Parks mit einem Erkennungssystem ausgerüstet, das fortlaufend die Position von jeder Person ermittelt, die ein eingeschaltetes Mobiltelefon trägt. Last, but not least arbeitet man mit einer in China entwickelten Gesichtserkennungssoftware und einem System, das fortlaufend nach verdächtigen Bewegungen unter den Besuchern des Olympiaparks fahndet, aber auch "herrenlose" Gegenstände erkennen kann. Alle Erkenntnisse werden in einem C4I-System auflaufen, das die China Electronics Group auf Basis des von SAIC in Griechenland installierten Systems weiter entwickelt und an allen Spielstätten mit Ausnahme von Hongkong installiert hat: Dort arbeiten die 31.000 Polizisten der Sonderregion bereits mit einem solchen System, das von Motorola geliefert wurde.
Neben den großen Systemen gibt es außerdem mobile WiMax-Zellen für die kombinierte Video- und Sprachkommunikation. Mit ihnen wird beispielsweise die olympische Fackel auf ihrem Weg durch China begleitet wird. Die Fackel, die gerade Hunan, den Geburtsort von Mao Tse-Tung passiert hat, gilt in China übrigens als IT-Symbol. Sie wurde von Technikern der Lenovo Group entwickelt, die den Athleten und Offiziellen insgesamt 20.000 Desktops und Laptops sowie 500 Support-Spezialisten zur Verfügung stellt, weil die Mitnahme eigener Gerät zu den meisten Kampfstätten aus Sicherheitsgründen untersagt ist. (Detlef Borchers) /
(jk/c’t)
Source: http://www.heise.de/newsticker/meldung/109077