Taser, Tote, Folter und das Geschäft

Der französische Taser-Chef hat sich angeblich 50 Mal mit der
Elektroschockwaffe beschießen lassen, deren Harmlosigkeit das
Unternehmen trotz neuer Todesfälle weiterhin propagiert
Die Diskussion um die nichttödlichen Elektroschockwaffen wurde in letzter Zeit durch neue Todesfälle
wieder angeheizt, die sich im Zusammenhang mit dem Einsatz der Waffen
ereignet haben. Neben den möglichen körperlichen Folgen steht vor allem
das Absenken der Gewaltschwelle durch die angeblich harmlosen Waffen
und deren Benutzung zum Quälen, Strafen oder Demütigen zur Debatte (Elektroschockwaffen zur Disziplinierung). Letzte Woche hat der UN-Ausschuss gegen Folter in dem Bericht
über Portugal die Verwendung von Taser-Waffen, die "heftige Schmerzen
verursachen", als eine Form der Folter verurteilt. In manchen Fällen
könne ihr Einsatz auch den Tod verursachen oder ihn als Folge nach sich
ziehen. Der Ausschuss empfiehlt Portugal, die Verwendung von
Taser-Waffen einzustellen.


Taser-Werbung für das Weihnachtsgeschäft

Aufsehen erregte ein Vorfall, bei dem vier kanadische Polizisten am 14.
Oktober unnötig einen Mann im Flughafen von Vancouver zu Boden
geworfen, festgehalten und dann mit der Elektroschockwaffe traktiert
haben. Wenige Minuten später starb der Mann. Alles hatte ein junger
Mann auf einem Video festgehalten, das die Polizei erst nach einem
Monat unter Zögern wieder herausgegeben hatte (Der Tod aus der nichttödlichen Taser-Waffe). In kurzer Zeit sind alleine in Kanada noch zwei weitere Menschen gestorben, nachdem sie Opfer von Taserwaffen wurden.

Mittlerweile hat sich der Hersteller Taser, der die Harmlosigkeit der
Waffen anpreist und sie auch an Privatkunden verkauft, wo dies legal
ist, in einer Stellungnahme
mit erwartbarer Argumentation zu dem weltweit aufgrund des Videos
bekannt gewordenen Todesfalls geäußert. Das trete häufig in
Zusammenhang mit Polizeieinsätzen bei Festnahmen oder in der Haft ein.
Untersuchungen und Experten hätten aber gezeigt, dass dies nicht
ursächlich mit den schwachen Stromschlägen der Waffen zusammenhänge.

Auch das Video von Vancouver zeige, dass das elektrogeschockte Opfer
weiter gekämpft habe. Wäre der Taser für den Tod verantwortlich
gewesen, dann hätte das Opfer durch den Stromschlag sofort an einem
Herzversagen sterben müssen. Man habe deutlich sehen können, dass der
Mann Symptome eines Deliriums aufgrund von Erschöpfung und Aufregung
gezeigt habe (heftiges Atmen, Schweiß, Verwirrung, Gewalt gegen
unbelebte Dinge). Das macht Taser dafür verantwortlich und geht dabei
auch mit keinem Wort auf die Umstände ein, wie die Waffe eingesetzt
wurde. Berichte, die die Elektroschockwaffe für den Tod verantwortlich
machten, werden als "sensationalistisch" bezeichnet. Man habe 60 Briefe
an Medien verschickt, um eine "Richtigstellung" zu verlangen.

Taser drängt massiv auf neue Märkte. Dafür organisiert man auch einige
"Stunts", zumal auch immer wieder Sicherheitspolitiker gefunden werden,
die überzeugt sind, unbedingt "nichttödliche" Waffen einführen zu
müssen. Möglicherweise sind sie tatsächlich der Meinung, dass mit den
Elektroschockwaffen besser Gewalt bekämpft und Sicherheitskräfte
geschützt werden können. Dass das Absenken der Gewaltschwelle aber zu
neuer Gewalt führt und die Spirale hochschraubt, zumal wenn sich die
Waffen verbreiten und schließlich auch gegen die Sicherheitskräfte oder
zu kriminellen Zwecken eingesetzt werden, scheint bei den Befürwortern
nicht bedacht zu werden (Schutzkleidung für Taser-Waffen).
Das dürfte noch brisanter werden, wenn Taser die
Elektroschock-Projektile einführt, so dass ohne die Beschränkung durch
Drähte über größere Entfernungen geschossen und geschockt werden kann.

In der Schweiz werden Taser schon länger von
Spezialkommandos der Polizei eingesetzt. Justizminister Christoph
Blocher, der mit seiner rechten und ausländerfeindlichen SVP bei den
Wahlen im Oktober weiter zulegen konnte, hat sich für die Verwendung
von Taser-Waffen auch bei Abschiebungen, also gegen unerwünschte
Ausländer, eingesetzt. Der Nationalrat hat Anfang Oktober das
Zwangsanwendungsgesetz beschlossen, nach dem Hunde und Taser im Rahmen des Ausländer- und Asylgesetzes angewendet werden dürfen. Angeblich
wollte Blocher selbst die umstrittene Waffe ausprobieren und hat sie an
sich selbst testen lassen, um zu zeigen, dass sie ungefährlich ist. Ob
das stimmt oder nur eine Kampagne ist, bleibt unklar.

In Frankreich gibt es bei der Polizei derzeit etwa 3.000 Elektroschockwaffen von Taser. Das könnte mehr sein. Also macht der französische Taser-Chef
Antoine di Zazzo Werbung, schließlich könnten allein in Frankreich
300.000 Waffen an die Sicherheitskräfte verkauft werden. Er habe, so verkündet
er, sich bereits 50 Mal tasern lassen. Als richtigen Schmerz könne man
das nicht bezeichnen, meint er beruhigend, und hat sich auch
aufgemacht, die Politiker von der Harmlosigkeit der Waffe zu
überzeugen. Bei dem rechtsradikalen, 79-jährigen Le Pen soll er letztes
Jahr erfolgreich gewesen sein, Sarkozy wollte sich angeblich aber nicht
zum Testen zur Verfügung stellen, obwohl er vor den Wahlen gesagt haben
soll, dass er für jeden Polizisten und Gendarmen eine Taser-Waffe
kaufen wolle. Innenministerin Michèle Alliot-Marie hatte im Oktober
2007 angekündigt, dass jeder der 17.000 Polizisten ab 2009 eine Taser-Waffe erhalten wird.

Florian Rötzer 27.11.2007

Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26699/1.html