Bürgerrechtler wollen geplante EU-Fluggastdatenaufzeichnung verhindern

[heise.de] Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat eine Verfassungsbeschwerde angekündigt, falls die Bundesregierung dem Vorhaben der EU-Kommission zur 13-jährigen Speicherung von Fluggastdaten
zustimmt. "Mit der Registrierung Millionen unbescholtener Urlauber und
Geschäftsreisender droht der nächste Verfassungsbruch", warnt Patrick
Breyer von dem Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und
Internetnutzern. "Das Bundesverfassungsgericht hat eine solche
Vorratsdatenanhäufung eindeutig verboten – egal für welche Zeitdauer
und welche Personen", ergänzt der Jurist. Die Kommission stellt mit ihrem Vorschlag auf ein dezentrales System
zur Vorhaltung von Flugpassagierdaten ab. Fluglinien sollen die
begehrten Passenger Name Records (PNR), die unter anderem Namen,
Geburts- und Flugdaten, Kreditkarteninformationen, besondere
Essenswünsche, Buchungen für Hotels oder Mietwagen sowie
E-Mail-Adressen und Telefonnummern enthalten, spätestens 72 Stunden vor
dem Start sowie direkt nach dem Abfertigen einer Maschine an so
genannte Passagier-Informationseinheiten in jedem Mitgliedsstaat
weiterleiten. Anders als bei der Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten
soll das System zur PNR-Auswertung durch einen Rahmenbeschluss
durchgedrückt werden. Eine solche Gesetzesgrundlage kann derzeit nur
einstimmig von den nationalen Regierungen der Mitgliedsstaaten im
EU-Rat verabschiedet werden.

Der Arbeitskreis fordert SPD und Union im Bundestag daher auf, den
Entwurf für den Rahmenbeschluss abzulehnen. An ein entsprechendes
"Nein" wäre die Bundesregierung dann gebunden. Die Niederlande,
Österreich, Schweden und Ungarn hätten sich vorab bereits skeptisch zu
dem Vorhaben geäußert, während Berlin den Plan befürwortet habe.
Zugleich appellieren die Bürgerrechtler auch an den Bundesrat, seine
Zustimmung zu dem nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbarenden Vorschlag
zu verweigern. Der Innenausschuss der Länderkammer will das Papier aus
Brüssel am 31. Januar beraten. Ferner erinnern die Datenschützer daran,
dass Rahmenbeschlüsse im Gegensatz zu EU-Richtlinien keinen Vorrang vor
nationalem Recht haben und auch von der deutschen Gerichtsbarkeit voll
überprüft werden können.

Ein eigenes PNR-System nach US-amerikanischem Vorbild würde dem
Arbeitskreis zufolge nur Millionen von Euro verschlingen. Es sei aber
nicht nachgewiesen, dass dadurch auch nur eine einzige Straftat
verhindert werden könne. Nach Angaben der EU-Kommission könnten die
Fluggastdaten zum Abgleich "mit einer Reihe von Merkmalen und
Verhaltensmustern zwecks Erstellung eines Risikoprofils" verwendet
werden, "um Flugreisende mit hohem Gefährdungspotenzial
herauszufiltern". Derartige Verfahren würden in den USA dazu führen,
"dass eine Vielzahl unschuldiger Menschen in Schwierigkeiten bei der
Grenzabfertigung gerät, ihnen die Einreise verweigert wird, sie verhört
oder gar inhaftiert werden".

Laut Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Arbeitskreis hat "die
Überwachung der Reisebewegungen jedes Einzelnen in einer freien
Gesellschaft ebenso wenig Platz" wie die pauschale Kontrolle des
Telekommunikationsverhaltens. Gegen die Vorratsdatenspeicherung im
Internet- und Telefonbereich haben rund 30.000 Bürger dem
federführenden Anwalt des Datenschutzbündnisses Vollmachten für eine
Verfassungsbeschwerde erteilt. Diese ist stellvertretend im Namen von
Vertretern einzelner Berufsgruppen noch an Silvester in Karlsruhe eingereicht worden. Die Vollmachten der übrigen Beteiligten sollen nach und nach folgen. (Stefan Krempl) /
(anw/c’t)

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