Redebeitrag auf der Demonstration gegen den "11. Europäischen Polizeikongreß"
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Wir stehen hier vor der Hauptstadt-Repräsentanz von Bertelsmann. Die Bertelsmann-Stiftung ist national als neoliberaler Reformakteur schon etwas bekannt. Die Stiftung ist auch einer der europaweit einflussreichsten Lobbyisten für den Ausbau des inneren und äußeren Kontrollwahns und für den Aufstieg der EU zur militärischen Großmacht mit weltweiten Kriegseinsätzen.
Dass sich Bertelsmann genau diesen Standort gesucht hat, um in Berlin Hof zu halten, passt ins Bild. Hier residierte zu Preußens Zeiten der Kommandant der Berliner Garnison. Die Soldaten der Berliner Garnison wurden regelmäßig zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt, etwa bei der Revolution von 1848 oder 1918/19. So reiht sich Bertelsmann auch symbolisch in eine militaristische Herrschaftstradition ein. Der Bertelsmann Konzern ist der fünftgrößten Medien- und Dienstleistungskonzerne der Welt. Mit etwas über 100.000 MitarbeiterInnen in 63 Ländern und einem Umsatz ca. 20 Milliarden Euro. Hauptaktionär des Konzerns ist die Bertelsmann-Stiftung. Sie besitzt über 75% aller Aktien und die jährliche millionenschwere Dividende wird in die neoliberale Lobbyarbeit gesteckt.
Die Stiftung gilt als gemeinnützig, aber ihre Arbeit kommt in erheblichem Maße direkt dem Konzern zugute. Das zeigt sich auch bei der Sicherheitspolitik. Auf der einen Seite betreibt die Stiftung ihre eigene Innen- und Außenpolitik. Sie hält engen Kontakt zur Macht mit hochrangig besetzten Kongressen, Strategiepapieren und sogenannten Expertenteams. Wenn Bertelsmann ruft, sind alle zur Stelle: Bundeskanzlerin, Innenminister, Bundeswehrgeneräle, EU-Kommission, NATO-Führung. Für das Internationale Bertelsmann Forum steht der Stiftung sogar das Außenministerium als Tagungsort zur Verfügung, natürlich inklusive Außenminister.
Die unzähligen Expertisen, Memoranden, Statements und Studien der Stiftung sollen Bevölkerung und PolitikerInnen eines klar machen: „ie Weltlage ist bedrohlich, darum müssen Deutschland und Europa aufrüsten und auf alle Kontinenten offensive Interessenpolitik betreiben. Etwa zur Sicherung von Energieressourcen. Die EU muss zur militärischen Supermacht werden, um die ökonomische Weltmachtposition Europas zu verteidigen. – Für dieses propagandistische Ziel werden auch diffuse Terrorängste geschürt. Es ist kein Wunder, dass zwei der treuesten Gäste der Stiftung Otto Schily und Wolfgang Schäuble heißt.
Auf der anderen Seite sorgt die Propaganda auch ganz direkt für Profite. Das Geschäft mit dem Krieg verspricht in Zukunft große Gewinne. Bei Bertelsmann ist dafür das Dienstleistungsunternehmen Arvato zuständig. Das Tochterunternehmen „VAW arvato“ erstellt für Bundeswehr und europäische Armeen Technische Dokumentationen. Etwa für das Spähfahrzeug „Fennek“, das in Afghanistan zum Einsatz kam. Derzeit bewirbt sich Arvato um die Übernahme der Bundeswehr-Logistik. Kosten der Privatisierung von Materialtransport und –lagerung: vier bis fünf Milliarden Euro.
Auch beim Polizeikongress ist Arvato dabei. Zum wiederholten Male sponsort die Arvato-Tochter Empolis den Kongress. Im Gegenzug darf es den versammelten Sicherheitsorganen seine Verkaufshow präsentieren. Das Software-Unternehmen hat Programme im Angebot, mit denen sich großen Datenmengen bewältigen lassen. Damit die zunehmenden Kontrolle der Gesellschaft übersichtlich bleibt. Einsatzgebiete sind die Abwehr von Flüchtlingen, die Unterstützung des EU-Grenzregimes und die systematische Überwachung der Bevölkerung. Emplis-Software hilft beispielsweise bei der schnellen und sicheren Personenidentifizierung und unterstützt auch großangelegte Telefonüberwachungen: Dabei werden bei Anrufen automatisch die Sprache und weitere Merkmale analysiert und direkt mit Datenbanken der Sicherheitskräfte abgeglichen – gemäß der empolis-Werbung, die dem Überwachungsstaat paradiesische Zustände verspricht: „Identification of anything, anytime, anywhere“.
Diese dreiste Vermischung von Propaganda, politischem Einfluss und Profit muss aufhören. Der Bertelsmann-Stiftung muss die Gemeinnützigkeit entzogen werden. Im Herbst wird es ein Internationales Bertelsmann Forum geben. Voraussichtlich wieder im Außenministerium. Wir rufen heute schon auf zum Protest gegen diese Hinterzimmer-Politik der wirtschaftlichen und politischen Eliten.