Bundespolizei: Heimlich umorganisiert

Der Bundestag hat ein Gesetz beschlossen, das der
Bundespolizei eine neue Struktur gibt. Welche Folgen das für die
Sicherheitsarchitektur haben wird, wissen nicht einmal Experten.

Bundespolizisten bei einer Übung
 

Der Bundestag stimmt ab, doch die Tatsachen sind längst geschaffen.
Seit zwei Jahren hat das Innenministerium unter Wolfgang Schäuble eine
Neuordnung der Bundespolizei vorbereitet – erst heimlich, später gegen
den Widerstand der Polizei-Gewerkschaften. Und obwohl die
Parlamentarier die Reform am vergangenen Freitag durchgewunken haben,
ist eine wichtige Frage noch immer nicht geklärt: Was hat der
Innenminister mit seiner bewaffneten Polizeitruppe eigentlich vor?Worum geht es? Als im Jahre 1951 der Bundesgrenzschutz gegründet
wurde, war seine Aufgabe klar. Es galt, die Zonengrenze im Osten gegen
den sich formierenden Warschauer Pakt zu verteidigen. So blieb es 40
Jahre lang, bis zum Fall der Mauer. 1992 mussten die Aufgaben der
Grenzschützer – aus offensichtlichen Gründen – neu formuliert werden.
Die BGS-Beamten patrouillierten seitdem auf Bahnhöfen und in Zügen,
kontrollierten Pässe und verdächtige Reisende auf den deutschen
Flughäfen. Der Wirkungsbereich hatte sich damit von den Außengrenzen
der Republik ins Binnenland erweitert – welches bis dahin das
ausschließliche Hoheitsgebiet der Länderpolizeien war.

Im Jahr 2005 wurde der BGS folgerichtig in Bundespolizei umbenannt,
ein sichtbares Zeichen für die schleichende Veränderung des
Aufgabengebietes der Behörde. Das umfasst inzwischen auch den Schutz
deutscher Botschaften im Ausland, die Hilfeleistung im Katastrophenfall
und die Unterstützung des Bundeskriminalamtes (BKA).

Spätestens seit der Einstellung der Passkontrollen an den Grenzen zu
Polen und Tschechien im Dezember stellt sich die Frage nach den
künftigen Aufgaben der Bundespolizei mit neuer Vehemenz. Immerhin zwei
Milliarden Euro – das ist die Hälfte seines Gesamtetats – lässt sich
das Innenministerium seine eigene Polizei kosten. Doch das neue
Bundespolizeigesetz schweigt sich zu diesem Thema aus. Von einer
„wirksamen Bekämpfung der illegalen Migration, der
Schleusungskriminalität und nicht zuletzt des internationalen
Terrorismus“ und der zunehmenden Bedeutung polizeilicher
Auslandsmissionen ist wolkig die Rede. Mehr nicht.

Abstimmen durften die Abgeordneten sowieso
nur über organisatorische Veränderungen. Demnach sollen kleinere
Dienststellen aufgelöst und stattdessen in zentralisierten Inspektionen
zusammengefasst werden. Knapp 1000 Beamte werden aus
Verwaltungspositionen in den Außendienst wechseln. Effizienzsteigerung,
Synergieeffekte und eine straffere Organisation verspricht sich der
Gesetzgeber davon.

Außerdem wird die operative Leitung der Bundespolizei aus dem
Innenministerium herausgelöst und einem Bundespolizeipräsidium
übertragen, das künftig als Oberbehörde – ähnlich dem Bundeskriminalamt
– fungieren soll. Die entsprechende Immobilie in Potsdam hat der
designierte Leiter des Bundespolizeipräsidiums, Matthias Seeger,
bereits im Oktober des vorigen Jahres übernommen. Seitdem war ein
Aufbaustab mit der Umsetzung einer Reform beschäftigt, die das
Parlament noch gar nicht beschlossen hatte.

Was hat das alles zu bedeuten? Handelt es sich wirklich nur um eine
Organisationsreform? Oder plant das Innenministerium den Aufbau einer
„Sicherheitsarchitektur nach US-amerikanischem Muster“, wie die
Innenpolitikerin der Linken, Petra Pau, unterstellt? Das sind politisch
motivierte Spekulationen, gewiss. Doch der Innenminister gibt sich kaum
Mühe, sie zu entkräften.

Selbst die Experten, die Mitte Januar zu einer Anhörung im
Innenausschuss des Bundestages geladen waren, klagten über die
Geheimniskrämerei. Dieter Glietsch, Berliner Polizeipräsident, sagte zu
Beginn der Sitzung, er habe längst nicht alle Informationen erhalten,
die er vom Ministerium für eine Bewertung der Pläne angefordert habe.
Andere Kollegen äußerten sich ähnlich.

Unklar ist zum Beispiel, welche Rolle die Bundespolizei nach der
Reform des BKA-Gesetzes spielen soll. Mit diesem Gesetz will der
Innenminister Kompetenzen in der Gefahrenabwehr und
Terrorismusbekämpfung an das Bundeskriminalamt übertragen. Doch um
diese im Ernstfall ausüben zu können, brauchen die Ermittler, die
bislang auf Amtshilfe durch die Länderpolizeien angewiesen sind,
Personal und Ausrüstung.

„Mit der Bundespolizei stünde für präventivpolizeiliche Aufgaben des
BKA eine solche Personalressource zur Verfügung“, schreibt der Experte
Hubert Wimber in seiner Stellungnahme für den Innenausschuss und findet
das nicht unbedingt gut. Der deutlich wahrnehmbaren Tendenz, „zunehmend
polizeiliche Befugnisse auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr zu
zentralisieren“, begegne er mit Bedenken.

Im Gesetz ist dazu nichts zu lesen, auch ein internes Feinkonzept
zur Neuorganisation der Bundespolizei spricht das Thema nicht explizit
an. Allerdings trägt dem Papier zufolge eine der acht neu zu
schaffenden Abteilungen im Bundespolizeipräsidium (von denen vier mit
Verwaltungsaufgaben betraut sind) den Titel Gefahrenabwehr. Sie soll
also präventiv Straftaten verhindern. Für die früheren Grenzschützer,
die vor allem Schleuserbanden jagten, eine völlig neue Qualität.
Bislang unterstützt die Bundespolizei lediglich das gemeinsame
Terrorabwehrzentrum (GTAZ) von BKA und Geheimdiensten.

Auch die internationale Zusammenarbeit soll künftig eine größere
Rolle spielen. Schon heute sind Beamte der Bundespolizei, zum Beispiel
im Zusammenhang mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex, dauerhaft im
Auslandseinsatz. Befürchtungen der Opposition, diese zunehmende
Verwendung für Polizeiaufgaben im Ausland könne eine schleichende
Militarisierung der Bundespolizei zur Folge haben, entgegnete der
designierte Behördenleiter Matthias Seeger mit beruhigenden Worten: Die
geplante Auslandsabteilung sei im Prinzip nur ein Buchungspool, mit dem
die Verwendung von Beamten besser planbar werden soll.

Anders dagegen liest sich das im internen Managementkonzept. Die
internationale Zusammenarbeit sei ein „wachsender Aufgabenbereich mit
zunehmender Bedeutung“ und werde darum trotz derzeit noch geringerer
Mitarbeiterzahl „organisatorisch als Abteilung verankert“. In der
Begründung des Gesetzentwurfes steht ergänzend: „Auch die Teilnahme an
polizeilichen Auslandsmissionen unter Verantwortung der Vereinten
Nationen, der Europäischen Union und der Westeuropäischen Union wird
weiter an Bedeutung zunehmen.“

Solche Ideen sind nicht neu. Schon Peter Struck, in der Regierung
Schröder einst Verteidigungsminister, wollte die Auslandsverwendung von
Bundespolizisten verpflichtend einführen. Hintergrund war damals der
Bundeswehreinsatz im Kosovo, wo die Soldaten eine Vielzahl
polizeilicher Aufgaben übernehmen mussten. Erfahrung darin hat ein Teil
der Truppe bereits, immerhin gehört zur Bundespolizei auch die
Spezialeinheit GSG9, die ersten polizeilichen Terroristenjäger in
Deutschland. Schon mehrfach war die Grenzschutzgruppe 9 im Ausland
aktiv, um beispielsweise Geiseln zu befreien.

Über all diese Details, so wichtig sie sein mögen, durften die
Abgeordneten des Bundestages aber nicht abstimmen. Ihnen oblag es
lediglich, die Grundzüge der Umorganisation abzunicken. Im
Gesetzesantrag hieß es dazu: „Die Flexibilität bei der
organisatorischen Ausgestaltung wird erhöht, indem auf eine gesetzliche
Zuweisung einzelner Aufgaben oder Befugnisse an konkret benannte
Polizeibehörden verzichtet wird.“

Von Carsten Lißmann

Source: http://www.zeit.de/online/2008/05/bundespolizei-neuorganisation?page=all