Europäischer Polizeikongress: Polizei vor dem Umbruch

Die deutsche Polizei befindet sich vor einem großen Umbruch. Dieser ist zum einen demografisch bedingt, da bis zum Jahr 2015 viele Beamte in den Ruhestand gehen werden, die in den 70er-Jahren eingestellt wurden, als die Polizei massiv ausgebaut wurde. Der Umbruch hat aber auch eine technische Dimension, weil die Polizei auf die Digitalisierung des Lebens stärker reagieren muss als bisher. So könnte das Fazit des 11. Europäischen Polizeikongresses lauten, der am gestrigen Mittwochabend in Berlin zu Ende ging.

Den traurigsten Satz des Polizeikongresses sprach Klaus Jansen, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter: "Mich würde heute keiner mehr einstellen. Der Jansen vor 34 Jahren wäre einfach zu doof für diese Arbeit." Die Polizei von heute sucht dringend IT-Fachkräfte, doch diese haben neben der vergleichsweise schlechten Bezahlung massive Probleme, sich mit der Arbeit in der Behörde zu identifizieren.

Dazu gehört auch, dass die laufende Betonung der Bedeutung der Online-Durchsuchung die IT-Kräfte in der Behörde nicht eben beruhigt. Auf dem Polizeikongress machte sich ein Beamter, nach eigenen Aussagen IT-Experte bei der Berliner Polizei, im Fachpanel über die Online-Durchsuchung seine Gedanken. "Ich frage mich, gegen wen sich das vorgeschlagene Gesetz eigentlich richtet. Wenn wir wissen, dass wir mit unseren Tools nicht gegen die OK [organisierte Kriminalität] und Geldwäsche ankommen, weil die strikt Klartextdateien nur auf separaten Rechnern führen, dann müssen wir uns fragen, was unter dem Deckmantel der terroristischen Bedrohung passiert. Wir produzieren dann nur gemeinte Sicherheit und fangen Otto Normalverbraucher, der mal ein paar Dateien aus dem Netz geladen hat, ob das Nazireden oder Pornografie ist. Da habe ich als Beamter ein großes Problem." Die Antwort des Datenschüzters Wolfgang von Pommer Esche, der den Bundesdatenschützer Peter Schaar vertrat, fiel nicht beruhigend aus: "Jeder Kriminelle macht mal Fehler. Da muss man Geduld haben." Außerdem sei die Methode, einen Trojaner zu programmieren so aufwendig, dass die Behörden den Zielrechner genau auskundschaften müssten, sodass keine Gefahr bestehe, dabei irrtümlich einen Normalverbraucher ins Visier zu nehmen.

Pommer Esche erklärte sich als Datenschützer auch nicht für die Zuhörerfrage zuständig, wann jemand nach dem Paragraphen 129a zum Terroristen erklärt und beschattet wird. Das sei allen Sache der Strafverfolger. Keinen Zweifel ließ Jurist indessen in der rechtlichen Bewertung des Einsatzes von Trojanern. Er sei nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen eindeutig verfassungswidrig. Auch Zusatzkonstruktionen wie die Ermittlung mit einem "Richterband" oder die Einsetzung eines "Ombudsmannes" änderten nichts daran, dass der Kernbereich der privaten Lebensführung grundsätzlich unantastbar sei. Insgesamt litt das Fach-Panel darunter, dass die Befürworter der Online-Durchsuchung ihre Teilnahme kurzfristig zu Beginn des Panels absagten und den Datenschützer allein ließen.

Insgesamt orientiert sich nicht nur die Polizei, sondern auch der Polizeikongress neu. Das war auch der kleinen Begleitmesse anzusehen, die zum Kongress das hübsche Berliner bcc bevölkert. Traditionelle Polizeiausrüster werden durch IT-Firmen wie Schönhofer ersetzt, die Programme für die Spurensuche in Telekommunikationsdaten anbieten, der Presse gegenüber aber jegliche Auskunft zu ihren Produkten verweigern. Einen Aufschwung erleben auch intelligente Leit- und Einsatzsysteme, bei denen Taktiker auf immer umfassendere Datenbestände zurückgreifen können. Google Maps sei eines der wichtigsten Werkzeuge gewesen, resümierte ein IT-Spezialist der Kavala-Einsatzgruppe zum G8-Gipfel in Heiligendamm.

Siehe zum 11. europäischen Polizeikongress auch:

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Detlef Borchers) /
(jk/c’t)

Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/102810