Megalomanie in Brüssel -Das Grenzpaket der EU-Kommission

[Heiner Busch] Rund 350 Seiten umfassen die im Februar 2008 präsentierten
„Mitteilungen“ und Arbeitsdokumente der Kommission: Sie will mehr Macht
für die Grenzschutzagentur Frontex, Satellitenüberwachung für die
grünen und blauen Außengrenzen und noch mehr Biometrie bei der
Kontrolle an Grenzübergängen.

Über 53.000 Personen seien bei von Frontex organisierten
gemeinsamen Aktionen an den Grenzen aufgegriffen oder an der
„illegalen“ Einreise in die EU gehindert worden. Und das seien nur die
„messbaren Ergebnisse“, die die „Europäische Agentur für die operative
Zusammenarbeit an den Außengrenzen“ in den ersten beiden Jahren ihres
Bestehens vorzuweisen habe. So steht es in dem Presse-„Memo“, das die
EU-Kommission am 13. Februar 2008 zusammen mit der Evaluation der
Agentur vorgelegt hat. Dass die Kommission das EU-Einheit stiftende
Dogma von der Notwendigkeit der „Bekämpfung der illegalen Migration“ in
Frage stellen würde, hat niemand erwartet.

Das positive Ergebnis der Evaluation war daher genauso
voraussehbar, wie deren Schlussfolgerung, nämlich die Agentur weiter
auszubauen und ihr noch mehr Macht zu verleihen: Sie soll kurzfristig
nicht mehr nur für gemeinsame Aktionen verfügbare Ausrüstungen der
nationalen Grenzpolizeien in einem Register (CRATE) erfassen, sondern
eigenes Material erhalten – auch für gemeinsame Abschiebungen
(„Rückführungen“). Sie soll eigene „Fachaußenstellen“ in den
Grenzregionen aufbauen. Sie war bisher schon am ICO-Net beteiligt und
soll nun dieses Kommunikationsnetz der „Asyl- und
Einwanderungsbehörden“ der Mitgliedstaaten und ihrer außerhalb der EU
stationierten grenzpolizeilichen VerbindungsbeamtInnen verwalten. Unter
das Dach der in Warschau angesiedelten Agentur zieht auch das „Zentrum
für Information, Reflexion und Austausch zu Außengrenzen und
Einwanderung“ (CIREFI), ein 1992 eingerichtetes Gremium der
Grenzpolizeien und Ausländerbehörden, dessen eigenständige Existenz
nicht mehr notwendig ist, seitdem Frontex die „Risikoanalysen“ selbst
erstellt. Langfristig soll die Agentur auch die Schengen-Evaluation
übernehmen, im Rahmen derer neue und alte Mitgliedstaaten geprüft
werden, ob sie den umfangreichen Schengen-Acquis auch wirklich
konsequent anwenden.

Ein System der Grenzüberwachung

Der größte Machtzuwachs für Frontex dürfte jedoch aus dem Aufbau
eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (Eurosur) resultieren, das
die Kommission in drei „Phasen“ und insgesamt acht „Schritten“ bis 2013
realisieren will. Ob und wie die hintereinander geschaltet sind, geht
aus den Unterlagen nicht hervor. Die erste Phase jedenfalls – die
„Vernetzung und Straffung bestehender Überwachungssysteme auf
nationaler Ebene“ – hat praktisch schon begonnen.

Die Grundlagen dafür hat Frontex mit zwei
„Durchführbarkeitsstudien“ in den Jahren 2006 und 2007 gelegt: Im Juni
2006 „prüfte“ – besser gesagt: forderte – die Agentur in der
MEDSEA-Studie den Aufbau eines gemeinsamen Seepatrouillen-Netzes im
Mittelmeer und im Südatlantik (rund um die Kanarischen Inseln). Im
Januar 2007 warb sie mit der BORTEC-Studie für ein gemeinsames
Überwachungssystem im selben Raum. Einen Monat zuvor hatten die Staats-
und Regierungschefs der EU für beides den politischen Startschuss
gegeben. Der Aufbau des „Europäischen Patrouillen-Netzes“ (EPN) begann
im Mai 2007 als permanente „gemeinsame Aktion“ unter der Koordination
von Frontex. Noch in diesem Jahr sollen die beteiligten acht Staaten
von Portugal im Westen bis Griechenland und Zypern im Osten nationale
Koordinationszentren aufgebaut haben, die in Zukunft jeweils nationale
(See-)Grenzüberwachungssysteme betreiben und damit alle relevanten
Informationen zusammenfassen sollen – zumindest die über die
„sensiblen“ Grenzbereiche. Welche das sind, will Frontex in einer
„Risikobewertung“ bis Ende des Jahres ermitteln.

Eurosur soll sich aber nicht nur auf die EU-Südschiene
beschränken. Auch die Staaten an der Schwarzmeer-Küste und an den
Landaußengrenzen im Osten sollen solche Zentren aufbauen – von
Bulgarien und Rumänien, die zwar noch keine Schengen-Staaten sind, aber
selbstverständlich gerne mitmachen, bis hinauf nach Finnland und
Norwegen. Zur Finanzierung können sie den EU-Außengrenzenfonds in
Anspruch nehmen.

In der „Folgenabschätzung“ für Eurosur, die nichts weiter
darstellt als eine ausführlichere Beschreibung des Projekts, erklärt
die Kommission, dass es selbstverständlich jedem Mitgliedstaat
überlassen bleibe, welcher Behörde er sein Koordinationszentrum
unterstelle. Allerdings könnten hier die verschiedensten zivilen und
militärischen Behörden vertreten sein. „Näher geprüft“ werden müsse die
„Nutzung militärischer Informationen und Intelligence sowie
militärischer Mittel für die maritime Grenzüberwachung“, denn die für
die Überwachung der Seegrenzen zuständigen Behörden könnten mit ihren
Mitteln in der Regel nur die unmittelbaren Küstenabschnitte
kontrollieren. „Die Einbeziehung der Marine ist von besonderer
Bedeutung für Operationen auf hoher See.“ (S. 26) Das Wort
„Gewaltenteilung“ taucht weder in der Mitteilung noch in der
Folgenabschätzung auf. Tatsächlich haben die in das EPN einbezogenen
Staaten der EU-Südschiene beim Aufbau ihrer nationalen
Koordinationszentren und Überwachungssysteme durchgängig die Marine und
zum Teil auch die Luftwaffe beteiligt.

Mit diesem „streamlining“ der nationalen Strukturen will es die
Kommission aber nicht bewenden lassen: Die Koordinationszentren sollen
untereinander und mit Frontex über ein zu errichtendes „gesichertes
computergestütztes Netzwerk … rund um die Uhr in Echtzeit“
Informationen austauschen. Mit den nötigen Daten für Risikoanalysen und
für die Koordination gemeinsamer Operationen soll Frontex zu einem
EU-Lagezentrum für alle Vorfälle an den Außengrenzen werden – zu einem
Koordinationszentrum der Koordinationszentren.

Als dritten Schritt dieser ersten Phase sieht die Planung der
Kommission auch die Einbeziehung mindestens der benachbarten
Nicht-EU-Staaten vor. Der „globale Ansatz“ in der Migrationspolitik,
von dem die EU-Gremien neuerdings reden, müsse langfristig dazu führen,
dass die Nachbarstaaten zu „gleichberechtigten Partnern“ würden – und
zwar „beim Entdecken und Abfangen von MigrantInnen, die illegal die
EU-Außengrenze zu überqueren planen“ (Folgenabschätzung, S. 27). Diese
merkwürdige Partnerschaft könnte „alle relevanten Aspekte abdecken,
i.e. die Verhinderung von Abfahrten, gemeinsame Streifen, Rettung,
Aufnahme, Identifizierung, Registrierung und Rückführung.“ Dafür
brauche es nicht nur mehr finanzielle und logistische Unterstützung für
Infrastruktur und Ausrüstung, sondern auch Ausbildungshilfe.

Die Nachbarländer in die Rolle von Pufferstaaten zu drängen,
gelang der damals noch kleineren EU bzw. der Schengen-Gruppe schon in
den 90er Jahren in Osteuropa. Einige der damaligen Drittstaaten, die
für die EU das Geschäft der Absicherung ihrer eigenen Grenzen nach
Westen übernahmen, sind inzwischen zu Mitgliedern der Union avanciert.
Diese Chance werden weder die neuen Pufferstaaten im Osten noch die
südlichen Anrainer des Mittelmeeres haben.

Die Kommission weiss: Die verstärkte Grenzüberwachung in den
nordafrikanischen Staaten wird dazu führen, dass die Boote mit den
„illegalen Einwanderern“ von noch entfernteren Punkten in See stechen
und deshalb noch mehr Menschen bei der Überfahrt ihr Leben lassen. Ihre
Schlussfolgerung lautet, dann „sofern notwendig“ auch weiter südlich
gelegene Staaten bei der Überwachung ihrer Grenzen zu unterstützen.

Angriff aus der Luft

Radaranlagen säumen schon seit Jahren die Küsten einiger Staaten
der EU, ihre Reichweite sei aber begrenzt, klagt die Kommission. Auf
hoher See bestünden „blinde Flecken“. Dies will die Kommission in der
zweiten Phase ihres Projekts durch eine Überwachung aus der Luft
ausgleichen. Ihr besonderes Interesse gilt Erdbeobachtungssatelliten
und unbemannten Flugzeuge, so genannten Drohnen.

Satelliten erfassten große Teile der Erde und könnten daher auch
Bilder von offener See und von Drittstaaten liefern. Das tun sie aber
nur beim Überflug des betreffenden Gebiets. Wegen der bis zu zwei Tagen
lange Zwischenzeiten sei der Einsatz von Satelliten nur dann sinnvoll,
wenn nicht sofortiges Handeln gefordert sei. Satellitenbilder seien
daher vor allem bei vorher bestimmten, insbesondere bei weiter
entfernten Gebieten nützlich. Drohnen brauchen Treibstoff und können
nicht permanent fliegen. Sie seien anders als Satelliten geeignet,
„Objekte“ zu verfolgen und ständig Bilder zu liefern. Überflogene
Drittstaaten könnten jedoch diese Flugzeuge als „feindliche Objekte“
wahrnehmen (und sie abschießen). Bisher sind Drohnen auch im zivilen
Luftraum nicht erlaubt, weil sie nicht mit Anti-Kollissionssystemen
ausgestattet sind.

Forschung – finanziert aus dem 7. Forschungsrahmenprogramm der EU
– soll die beiden neuen Informationsquellen weiter entwickeln, z.B. für
leichte aber effiziente Sensoren sorgen, mit denen Drohnen auch
kleinere Boote entdecken könnten. Dass die Kommission keine Hemmungen
hat, bei diesen neuen Mitteln der Grenzüberwachung auf die Leistungen
militärischer Stellen zurück zu greifen, versteht sich fast von selbst.

Frontex soll auch in diesem Bereich die Funktion eines Lage- und
Koordinationszentrums einnehmen, die Verbindung mit den zivilen und
militärischen Satellitenbetreibern herstellen, den Drohneneinsatz
koordinieren und damit kostengünstiger machen. Am Ende von Phase 2 soll
dann ein „gemeinsames Informationsbild des Grenzvorbereiches“ stehen,
das vor allem die Risikoanalyse von Frontex verbessern soll, aber auch
„operativen“ Nutzen erbringen könnte.

Phase 3 soll schließlich ein „integriertes Netz der Melde- und
Überwachungssysteme zum Zweck der Grenzkontrolle und der inneren
Sicherheit“ im maritimen Bereich erbringen, das zunächst den
Südatlantik, das Mittelmeer und das Schwarze Meer umfassen und dann
ausgedehnt würde auf sämtliche „Seegebiete im Einzugsbereich der
Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten und in angrenzenden
Hochseegebieten“. In dieses Netz einbinden will die Kommission die
bestehenden und neu zu schaffenden nationalen „Überwachungssysteme“,
die „gemeinsamen Überwachungsinstrumente“ wie Radarsatelliten und
Drohnen, die europäischen und internationalen Schiffsmeldesysteme im
Fischereibereich oder zur Seenotrettung und schließlich
nachrichtendienstliche Quellen. Noch in diesem Jahr will die Kommission
dazu ein Pilotprojekt durchführen.


Ein- und Ausreisekontrolle

Mit der großen Kelle angerührt sind die Pläne der Kommission aber
nicht nur hinsichtlich der Überwachung, sondern auch bei der Kontrolle
einzelner Personen an den Außengrenzübergängen. Diese ist seit März
2006 im Schengener Grenzkodex geregelt. Für EU-BürgerInnen (und andere
Personen, die in der EU Freizügigkeit genießen) sieht dieser Kodex eine
Mindestkontrolle vor: eine Überprüfung der Papiere und stichprobenweise
eine Abfrage im Schengener Informationssystem (SIS).
Drittstaatsangehörige müssen dagegen eine „eingehende Kontrolle“ über
sich ergehen lassen, die immer – bei der Ein-  und bei der Ausreise –
eine Überprüfung im SIS umfasst, dessen zweite Generation derzeit im
Aufbau ist.

Für Visumspflichtige kommt demnächst das Visa-Informationssystem
(VIS) dazu. SIS II und VIS sollen ab 2009 betriebsbereit sein. Das VIS
wird jedoch erst 2012 in voller Blüte erstrahlen: Erst dann werden die
Konsulate über die Technik zum „Enrolement“ biometrischer Daten – d.h.
zur Speicherung von Fingerabdrücken und eines maschinell lesbaren
Portraits – verfügen und sämtliche Grenzübergänge mit entsprechenden
Lesegeräten ausgestattet sein, inklusive mobilen Apparaten, die eine
Kontrolle zum Beispiel in fahrenden Zügen erlauben sollen.

Das VIS soll „visa shopping“ verhindern, Visumsantrag unter
anderem Namen sollen unmöglich werden. Zu diesem Zweck werden darin
sämtliche visa-bezogenen Informationen (aus früheren Reisen oder aus
abgelehnten Gesuchen) zusammen gezogen, und zwar dadurch, dass die
Person anhand ihrer Fingerabdrücke eindeutig identifziert ist. Mit
diesen biometrischen Daten verändert sich auch die Kontrolle an der
Grenze: Die Abfrage der Daten im VIS (und im SIS II) erfolgt dann nicht
mehr anhand der Personalien, sondern mit den Fingerabdrücken und der
Nummer der im Pass eingeklebten Visumsetikette. Voraussetzung dafür ist
ein „Biometric Matching System“, das nicht nur dem VIS, sondern auch
dem SIS II und eventuell weiteren Systemen vorgeschaltet wird.

Das VIS steht noch nicht. Über seine Rechtsgrundlagen haben das
Europäische Parlament (EP) und der Rat zwar Einvernehmen erzielt,
formell verabschieden wird man sie aber erst „im Laufe des ersten
Halbjahres“ 2008. Dennoch kommt die Kommission jetzt schon mit
Neuerungen: Die wichtigste ist ein „Ein- und Ausreisekontrollsystem“ –
ein Vorschlag, der ursprünglich vom deutschen Innenminister, damals
Otto Schily (SPD), stammte, den man aber 2004, als es um die
Entscheidung über den Aufbau des VIS ging, als zu aufwändig fallen
ließ. In einer Mitteilung an Rat und EP über „Effizienz und
Interoperabilität der EU-Datenbanken im Bereich Inneres und Justiz“ kam
die Kommission im November 2005 erstmals auf diesen Vorschlag zurück.
Im Grenzpaket behauptet sie nun, dass der Aufwand für ein Aus- und
Einreisekontrollsystem nach der Einrichtung der biometrischen
Komponente des VIS nicht mehr der Rede wert sei.

Wichtigste Begründung für das neue System ist erneut die
Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Die Kommission geht davon aus,
dass der überwiegende Teil der sich in der EU aufhaltenden Sans-papiers
so genannte Overstayer seien, also Personen, die einmal legal ein-,
aber nicht mehr ausgereist sind. Die könnten mit dem neuen System
identifiziert und sanktioniert werden – mindestens mit dem Verbot der
Wiedereinreise nach der Ausweisung und Abschiebung. Wenn das System das
Datum der Einreise festhalte und auch legale Aufenthaltsverlängerungen
nachgetragen würden, könne es den Behörden der Mitgliedstaaten
automatisch einen Hinweis geben, falls die Ausreise nicht fristgerecht
erfolge. Sollten Rat und EP bis hierhin noch nicht überzeugt sein, hat
die Kommission noch ein weiteres Argument auf Lager, das bisher noch
immer gezogen hat: Das Registrieren der Reisebewegungen sei auch ein
Beitrag zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität.

Für das neue System gibt es mehrere Optionen: Die erste bezieht
sich ausschließlich auf visumspflichtige Drittstaatsangehörige. Deren
biometrische Daten hat man bereits durch den Visumsantrag.
Konsequenterweise würden die Ein- und Ausreisedaten dieser
Personengruppe auch gleich in einer zusätzlichen Komponente des VIS
gespeichert.

Was aber ist mit den nicht-visumspflichtigen DrittausländerInnen?
Das sind derzeit noch LateinamerikanerInnen (mit Ausnahme der
Staatsangehörigen Kolumbiens, Perus, Boliviens und Surinams). Hinzu
kommen BürgerInnen aus einigen Kleinststaaten wie dem Vatikan, aber
auch aus Australien und Neuseeland, Kanada, Japan und den USA. Die
Kommission sieht keine Schwierigkeiten, auch ihre Reisebewegungen zu
erfassen. Das könnte ohne biometrische Daten gehen: In dem Falle würden
bei der SIS-Abfrage, die bei einer Grenzkontrolle ohnehin erfolgt, im
gleichen Atemzug einfach die Daten der optisch-maschinenlesbaren Zone
des Passes registriert.

Die biometrische Variante hält die Kommission aber für
zuverlässiger. Die USA und Japan haben solche Systeme eingeführt, und
zwingen die EuropäerInnen für eine visumsfreie Einreise, einen
biometrischen Pass vorzulegen oder gleich zehn Fingerabdrücke bei der
Einreise für das Ein- und Ausreisekontrollsystem (US VISIT) zu
hinterlassen. Die EU könnte es ihnen gleich tun: Die Erfassung der
Fingerabdrücke wäre entweder auf einem Konsulat oder bei der Einreise
möglich. Wenn eine Person einen biometrischen Pass vorlegt, könnten die
Daten auch einfach daraus entnommen werden, wofür der jeweilige Staat
aber den Schlüssel für deren Auslesen und Speichern herausrücken
müsste. Für die Daten nicht-visumspflichtiger DrittausländerInnen hätte
die EU eine eigene Datenbank einzurichten, die aber auf der selben
technischen Plattform wie das VIS betrieben werden könnte.

Sicher ist, dass das Kontrollprozedere sich in jedem Fall
verlängern würde – auch bei denjenigen DrittausländerInnen, die die EU
gerne begrüßen möchte. Für die hat die Kommission deshalb als
Zückerchen ein „Registered Travellers Programme“ (RTP) parat. Das sähe
nur noch eine automatische Grenzkontrolle und eine ebenso automatische
Registrierung der Ein- und Ausreise vor. Die GrenzpolizistInnen stünden
nur noch daneben, würden aber keine dummen Fragen mehr stellen.

Um den Geschäftsherren-Eingang zur EU benutzen zu dürfen, müssten
die InteressentInnen ihre biometrischen Daten erfassen lassen, falls
sie noch nicht im VIS gespeichert sind. Und natürlich will die
Kommission von Zeit zu Zeit erneut überprüft wissen, ob die
„bona-fide-Reisenden“ auch wirklich die Schengener Einreisebedingungen
noch erfüllen – sowohl finanziell als auch was ihre Unbedenklichkeit
für die Innere Sicherheit betrifft.

Das Verfahren der automatisierten Kontrolle ließe sich nach
Meinung der Kommission auch auf EU-BürgerInnen ausdehnen, aber nur auf
jene, die die Sicherheitskriterien erfüllen. Deren Ein- oder Ausreise
soll allerdings – vorerst – nicht erfasst werden. Spätestens dann, wenn
die schnelle Kontrolle am Automaten auch von schnellen und
gedankenlosen EU-EuropäerInnen in größerem Ausmaße genutzt wird, werden
sich die nicht-registrierten Reisenden darauf vorbereiten müssen, dass
man sie als Sicherheitsrisiko behandelt.

Weder die Wasserleichen im Mittelmeer oder an den Stränden der
Kanarischen Ferieninseln noch die finanziellen Kosten für die
(unmögliche) Abschottung der Grenzen haben die Verantwortlichen der EU
davon abgehalten, megalomane Projekte zu ersinnen. Mit dem Grenzpaket
der Kommission wird erneut klar, dass der „Schutz“ der Außengrenzen
gegen „illegale Einwanderer“ auch in den nächsten Jahren ein
Kerngeschäft der EU bleiben wird – eine feste Säule für den Aufbau der
gemeinsamen Institutionen der Sicherheit des europäischen
Staatsgebildes.

Source: CILIP