Österreich: Polizei – 32 SPG-Abfragen pro Tag

at[futureZone.at] 3.863 Auskunftsverlangen gemäß SPG neu hat die Polizei laut Innenministerium in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres gestellt. Die Abfragen von IP-Adressen und Handy-Standortdaten werden ohne richterliche Kontrolle verarbeitet.

Der scheidende Innenminister Günther Platter [ÖVP] hat am Montag eine Anfrage des LIF-Nationalratsabgeordneten Alexander Zach zum Umgang der Sicherheitsbehörden mit den Befugnissen nach dem novellierten Sicherheitspolizeigesetz [SPG] beantwortet.
Demnach hat die Polizei im Zeitraum 1. Jänner [dem Tag, an dem das SPG neu in Kraft getreten ist] bis 30. April 2008 3.863 Auskunftsverlangen gemäß Paragraf 53 Absatz 3a SPG durchgeführt. Das sind im Schnitt rund 32 Abfragen pro Tag. Paragraf 53 Abs. 3a erlaubt der Polizei, bei "Gefahr im Verzug" – den sie selbst feststellt – ohne richterliche Kontrolle IP-Adressen und Telefonverbindungsdaten sowie die dazugehörigen persönlichen Daten der Teilnehmer bei den Providern anzufordern.

Die überprüften Personen müssen über die Anfrage nicht in Kenntnis gesetzt werden. "Betroffene, deren persönliche Daten an die Sicherheitsbehörden weitergegeben werden, werden niemals erfahren ob sie – schuldig oder unschuldig – in eine Fahndung der Polizei geraten sind, geschweige denn ob ihre Daten nachträglich gelöscht werden", kritisiert Alexander Zach auf Anfrage von ORF.at. Hier bestehe eine Gesetzeslücke, die es zu schließen gelte.

Paragraf 53 Abs. 3b SPG erlaubt die Abfrage von Mobilteilnehmerkennungen [IMEI] und den Einsatz von IMSI-Catchern, also Geräten zur Feststellung des Aufenthaltsorts einer gesuchten Person. Die IMSI-Catcher sind auch dazu in der Lage, Gesprächsinhalte zu erfassen. Das jedoch ist vom SPG nicht gedeckt. Laut Innenministerium sind von 1. Jänner bis 30. April 258 Auskunftsverlangen nach Paragraf 53 Abs. 3b durchgeführt worden.

IMSI-Catcher
Auf Zachs Frage, wie denn ein IMSI-Catcher "von der Größe eines mittleren Kühlschranks" zur Rettung in Bergnot geratener Personen eingesetzt werden könne, wie es die Sicherheitssprecher der Koaliton Günter Kößl [ÖVP] und Rudolf Parnigoni [SPÖ] behauptet hätten, als sie das Gesetz am 6. Dezember 2007 durch den Nationalrat brachten, antwortete das Ministerium recht lapidar: "Eine bundesweite Lösung ist derzeit in Ausarbeitung."

Interessant auch die Ausführungen des Ministeriums dazu, wie die Abhörbefugnisse zur Abwehr "gefährlicher Angriffe" genutzt werden sollen. In den Abschnitten des SPG, in denen die "gefährlichen Angriffe" definiert werden, werde demnach "nicht die Existenz einer Gefahr vorausgesetzt, weil sonst für die Gefahrenerforschung kein Anwendungsbereich bliebe. Vielmehr ist einer durch Indizien [Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen] hinreichend konkretisierten Gefahrensituation mit tauglichen Mitteln, nämlich jenen der Informationsbeschaffung […] zu begegnen, um festzustellen, ob eine [allgemeine] Gefahr vorliegt und wie in verhältnismäßiger Weise einzuschreiten ist."

Auch die Provider müssten ihre Kunden nicht über die Abfragen der Polizei informieren, so das Ministerium. Eine entsprechende Pflicht ließe sich weder aus dem Datenschutzgesetz noch aus dem Telekommunikationsgesetz ableiten, so die Rechtsauffassung des Innenministeriums. Die Frage Zachs, ob es Providern verboten sei, die Betroffenen von sich aus über die Anfrage der Polizei zu informieren, beantwortet das Ministerium nicht.

Abweichende Daten
Die Wiener Tageszeitung "Die Presse" hatte bereits im März Auszüge aus internen Statistik des Innenministeriums publiziert. Demnach seien in den ersten fünf Wochen 2008 die Standorte von 82 Handynutzern lokalisiert und 2.766 Anschlussinhaber ausgeforscht worden.

Bereits im Februar hatte der Mobilfunker T-Mobile einen steilen Anstieg der Abfragen gemäß SPG bekanntgegeben. So seien bereits im ersten Monat seit Inkrafttreten der Novelle 63 Standortpeilungen allein bei T-Mobile verlangt worden. Hier gibt es eine Diskrepanz zwischen den von der "Presse" publizierten Daten und jenen, die T-Mobile bekanntgegeben hat.

Schwacher Rechtsschutzbeauftragter
Dem Rechtsschutzbeauftragten, der dem Innenministerium zugeordnet ist, sollen nach SPG neu die "notwendigen Personal- und Sacherfordernisse" zur Verfügung gestellt werden, um die Masse der Anforderungen bei Bedarf prüfen zu können. Der Rechtsschutzbeauftragte soll die nicht vorhandene richterliche Kontrolle ersetzen.

Zach fragte nach, ob der Rechtsschutzbeauftragte mehr Personal bekommen habe, um dieser Aufgabe gerecht werden zu können. Das Innenministerium: "Zusätzliche Mitarbeiter sind nicht zugeteilt."

 

Source: http://futurezone.orf.at/it/stories/288198/