Polizeigewerkschaft fordert Korrekturen am BKA-Gesetz

[heise.de] Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat die große Koalition davor gewarnt, die in der hitzigen Bundestagsdebatte
zur Novelle der Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) geäußerte
Kritik zu ignorieren und die geplante Novelle des BKA-Gesetzes "ohne
ernsthafte Befassung mehrheitlich durchzusetzen". Einzelne Bestimmungen
müssten geändert werden, wenn der Gesetzgeber nicht erneut beim
Bundesverfassungsgericht scheitern wolle. Der Bundestag hatte am
vergangenen Freitag in erster Lesung sehr kontrovers über die vom
Bundeskabinett bereits verabschiedeten neuen Befugnisse für das Bundeskriminalamt (BKA) wie heimliche Online-Durchsuchungen oder den großen Spähangriff debattiert.

Die Sicherheitsgesetzgebung der vergangenen Jahre sei nicht nur
dutzendweise vom Bundesverfassungsgericht korrigiert oder für nichtig
erklärt worden, gab der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt zu
bedenken. Sie habe auch die Bevölkerung und die Sicherheitsbehörden
"gleichermaßen verunsichert und die Zweifel an der Kompetenz und
Sorgfalt des Gesetzgebers gestärkt".

Grundsätzlich befürwortete Wendt das Vorhaben der Bundesregierung,
dem BKA Kompetenzen zur Abwehr terroristischer Gefahren zu geben. Auch
die damit einhergehende Lizenz für heimliche Online-Durchsuchungen sei
"vertretbar und notwendig". Erkenntnisse aus den geplanten
Ausforschungen von IT-Systemen erst vom BKA selbst und nur in Folge bei
Zweifeln über den erforderlichen Schutz des Kernbereichs der privaten
Lebensgestaltung auch von Richtern begutachten zu lassen, sei aber
inakzeptabel und dürfte in Karlsruhe scheitern.

Die Rechtfertigung der umstrittenen Passage durch
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), es sei kein
ausreichendes Personal bei den Gerichten vorhanden, hält Wendt
angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs für "einfach
abenteuerlich". Die Verfassungsmäßigkeit von Sicherheitsgesetzen dürfe
nicht "an einigen Planstellen für die Justiz scheitern", zumal ohnehin
immer nur von wenigen konkreten Online-Razzien pro Jahr die Rede sei.
Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes (DRB),
Christoph Frank, bemängelte die Regelung ebenfalls: "Das BKA kann nun
in Zweifelsfällen selbst entscheiden, ob es Passagen dem Gericht zur
Prüfung vorlegt oder selbst löscht." Zuvor hatte er aber auch schon einmal angemerkt, dass der Justiz das nötige Personal für die Durchsicht der ausgespähten Daten fehle.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK)
begleitete die Auftaktberatung des Entwurfs dagegen mit Warnungen. Die
Gefährdungslage sei so hoch "wie wir sie noch nie hatten in
Deutschland", hieß es bei dem Verband. Das Gesetzesvorhaben müsse so
schnell wie möglich vom Parlament verabschiedet werden und in Kraft
treten, um eine Lücke im Terrorabwehrkampf zu schließen.

Auch in den Parteien geht das Gezänk über den seit langem umkämpften
Vorstoß weiter. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach von
"Schnüffelstaat-Plänen" und rief dazu auf, Protestmails an die
verantwortlichen SPD-Politiker zu schicken. Die Sozialdemokraten
müssten das Gesetzgebungsverfahren umgehend aussetzen. Die Grünen haben
dazu und zur allgemeinen Aufklärung die Webseite "Datenschutz ist Bürgerrecht"
gestartet. Ziel sei es, nicht nur eine Plattform für Kampagnen zu
schaffen, sondern einem breiten Publikum das Thema Datenschutz im
Internet und im Alltag deutlich zu machen sowie Gefahren aufzuzeigen",
erläuterte Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand der
Oppositionspartei, gegenüber heise online. Mit dem "Datencontainer" auf
der Startseite werde gleich verdeutlicht, "welche Spuren wir permanent
beim Surfen im Internet überall hinterlassen". Durch täglich
aktualisierte Nachrichten könne sich ferner jeder über aktuelle
Ereignisse informieren. Alle Nutzer seien eingeladen, auch selber über
Datenschutz-Themen zu bloggen.

Die SPD fordert von der Linkspartei unterdessen wegen ihres
Gestapo-Vergleichs eine Entschuldigung. Die Linken-Abgeordnete Ulla
Jelpke hatte das neue BKA-Gesetz bei der 1. Lesung mit der geheimen
Staatspolizei der Nazis verglichen. Es gehöre sich nicht, einen
demokratischen Rechtsstaat mit der Nazi-Diktatur zu vergleichen, sagte
der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy der "Welt".
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), der die
Parlamentssitzung leitete, will von einer Rüge absehen. Jelpkes
Äußerung sei jedoch hart an der Grenze der Zulässigkeit gewesen. Der
frühere Innenminister Gerhart Baum (FDP) betonte einmal mehr,
dass er gegen das BKA-Gesetz bei einer Verabschiedung durch den
Bundestag in der jetzigen Form erneut beim Bundesverfassungsgericht
Klage erheben wolle. Der Altliberale sieht vor allem den Kernbereich
privater Lebensführung nicht ausreichend geschützt.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die
erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die
Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) /
(jk/c’t)

Source: http://www.heise.de/newsticker/meldung/109869