Bundeswehr: Strategische Aufklärung bald auch aus dem Orbit

[fr-online.de] 
Gelsdorf. Zum ersten Mal in ihrer
mehr als 50-jährigen Geschichte kann die Bundeswehr jetzt auch
strategische Aufklärung aus dem Orbit betreiben. Verteidigungsminister
Franz Josef Jung (CDU) ließ sich beim "Kommando Strategische
Aufklärung" in Gelsdorf bei Bonn von Militärspezialisten über die neuen
Möglichkeiten der Radaraufklärung unterrichten. Diese sei insbesondere
für Afghanistan, aber auch für Krisenvorsorge generell wichtig, sagte
Jung.

Bis Jahresende sollen die fünf baugleichen Satelliten des
"SAR-Lupe"-Aufklärungssystems voll einsatzbereit sein. Dabei kann die
in Bremen entwickelte Radartechnik "SAR" (Synthetic Aperture Radar)
nach Angaben des Abteilungsleiters "Satellitengestützte Aufklärung",
Reinhard Pfaff, Objekte erkennen, die kleiner als ein Meter sind –
daher auch die Systembezeichnung "SAR-Lupe". Der Oberst betonte, es
handle sich hier einen "Quantensprung" in der Aufklärung.

Die fünf Satelliten umkreisen mit einer Geschwindigkeit von über 25.000
Kilometer in der Stunde auf drei verschiedenen Umlaufbahnen alle 90
Minuten in 500 Kilometer Höhe die Erde. Nacht oder Wolken behindern die
"Superaugen" der Bundeswehr im Gegensatz zu den herkömmlichen
Foto-Satelliten in keiner Weise. "SAR-Lupe" schaut auch durch Tarnnetze
hindurch. Es kann sogar bis in den Erdboden hineinblicken. Mit dem
System können gestochen scharfe Radarbilder von nahezu jedem Winkel der
Erde gewonnen werden.

Das Satellitenbündel funktioniert allerdings nicht ganz in Echtzeit, es
gibt keine unmittelbare Datenübertragung an die Bodenstation. Die Fotos
können nur während der Überflüge über Deutschland übertragen werden.
Alle drei Stunden passiert einer der Satelliten das Bodenkommando. Dann
kommen riesige Datenmengen über die technische Bildaufbereitung an die
Auswerter. Die gewonnenen Daten werden zusammengerechnet, bis ein Bild
herauskommt.

Mit Bildbearbeitungsprogrammen werden alle Feinheiten und verwertbaren Informationen aus den Aufnahmen herausgeholt.
Das neue System arbeitet in einem Verbund mit den anderen
Aufklärungsmitteln der Bundeswehr. Es ergänzt die unbemannten
"Luna"-Drohnen (Kleinflugzeuge) und die "Tornado"-Flugzeuge, die
derzeit über Afghanistan Informationen sammeln.

Die Satelliten haben den Vorteil, dass sie im Weltall außerhalb der
staatlichen Hoheitsgebiete operieren und damit keinen völkerrechtlichen
Einschränkungen unterliegen. Das All ist für alle frei.

Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Oberpfaffenhofen hat
die Satelliten seit Dezember 2006 auf die Umlaufbahn gebracht.
Der fünfte und letzte Satellit war am vergangenen Mittwoch in die
"operativen Nutzung" übernommen worden. Wenn die Einsatzbereitschaft
des Systems endgültig festgestellt ist, kann das "Kommando Strategische
Aufklärung" das Radarsystem in eigene Regie übernehmen. Es kostet nach
offiziellen Angaben 370 Millionen Euro.

Nach Darstellung des Bremer Unternehmens "OHB-System AG", das die
Satelliten entwickelt und gebaut hat, haben sie bereits ihre
Funktionsfähigkeit nachgewiesen und hochauflösende Bilder geliefert.
Und bereits seit Ende vergangenen Jahres nutzt die Bundeswehr das "SAR-Lupe"-System in einem "operationellen Teilbetrieb". (ddp)

Source: http://www.fr-online.de