Lunar Robotics Challenge: Keiner fand den roten Sand

[heise.de] Um 3:15 Uhr gab auch das letzte Team auf. Christian Fiederling, Operator des Moon Hound von der Universidad Politécnica de Madrid, hatte keine Kontrolle mehr über den Roboter, der im Krater nach der roten, etwa einen Quadratmeter großen Bodenprobe suchte. Ein Softwareproblem. Genaueres ließ sich zu dieser späten Stunde noch nicht sagen.

Dabei war es in der ersten Wettbewerbsnacht der "Lunar Robotics Challenge" bis dahin für das spanische Team ziemlich gut gelaufen. Wie geplant hatte der Roboter am Kraterrand eine Relaisstation abgeworfen, um die Funkverbindung aufrechtzuerhalten. Der Abstieg wirkte sehr kontrolliert. Stück für Stück arbeitete sich der Rover mit den großen Rädern vor, blieb immer wieder stehen, um sich einen Überblick zu verschaffen, und schaltete dafür auch gelegentlich einen stärkeren Scheinwerfer ein. Wer dem Operator über die Schulter schaute, sah ein vergleichsweise stabiles Kamerabild.

Ganz ohne menschliche Hilfe kam der Moon Hound allerdings nicht aus. Einmal musste eine Schraube nachgezogen werden, die die Kamera blockiert hatte. Die wiederholten Neustarts des Systems konnten dagegen vom Operator über Funk vorgenommen werden – bis schließlich auch das nicht mehr funktionierte.

Im Vergleich mit den übrigen Teams, die gestern Nacht antraten, dürfte das indessen die beste Leistung gewesen sein. Selene, der Roboter von der University of Surrey, kam gar nicht erst zum Einsatz, weil die Lager der Motoren, einschließlich aller Ersatzteile, kaputt gegangen waren. Schade, das Design des am Telemax orientierten Roboters wirkt recht vielversprechend.

Das finnische Team von der University of Oulu, das von den meisten hier als Favorit gehandelt wurde, verstolperte den Start: Beim Abstieg in den Krater überschlug sich der Roboter nach wenigen Metern. Ein Plastikband, das verschiedene Bereiche im Krater markieren soll, hatte sich im Raupenantrieb verheddert. Glücklicherweise war der Schaden gering, die beim Sturz abgeknickte Antenne konnte schnell wieder befestigt werden, sodass gleich im Anschluss ein zweiter Versuch gestartet wurde. Diesmal gelangte der Roboter bis auf den Kraterboden. Dort steuerte der Operator Ari Pitkänen ihn ohne erkennbare Strategie kreuz und quer durch das Gelände. Möglicherweise hätte seine Intuition ihn trotzdem irgendwann zur Bodenprobe geführt. Nach etwa 25 Minuten riss jedoch plötzlich die Funkverbindung ab. Zwar wurde noch ein Videobild übertragen, aber der Roboter reagierte nicht mehr auf Steuerungsbefehle. Pitkänen musste aufgeben.

Eine Untersuchung des Fehlers ergab rasch, dass eine Sicherung durchgebrannt war. Die Ursache dafür konnte nicht gleich geklärt werden. Allerdings hatte es zuvor bereits Unregelmäßigkeiten bei der Steuerung gegeben: Der Roboter hatte einen Drall zur Seite, der ständig durch den Operator ausgeglichen werden musste.

Das Bremer Jacobs Robotics Team war mit zwei Robotern angetreten, die sich gegenseitig ergänzen sollten. Ein Roboter war über Kabel mit einer Antenne verbunden und sollte dem zweiten Roboter, der tiefer in den Krater vordringen sollte, als Relaisstation dienen und zugleich von weiter oben die Umgebung ausleuchten. Letzteres wurde allerdings dadurch beeinträchtigt, dass die Batterien der Stabtaschenlampen offenbar unter der Kälte gelitten und an Leuchtkraft eingebüßt hatten.

Auch mit der Mobilität gab es Probleme. Mehrfach kippten die Roboter und mussten von Hand wieder aufgerichtet werden. Wiederholt riss die Funkverbindung ab. Dennoch gelang es dem Operator Sören Schwertfeger, die gesuchte Bodenprobe zu identifizieren. Da er sie aus einem sehr unglücklichen Winkel angesteuert hatte, war er aber nicht in der Lage, eine Probe zu entnehmen. Schließlich brach das Team den Lauf ab, zeigte sich gleichwohl mit dem Ergebnis zufrieden. Immerhin konnten wertvolle Erfahrungen gesammelt werden.

So erwies es sich als wenig ratsam, den Operator allein an die Steuerungskonsole zu setzen. Ein Assistent, mit dem man sich berät, kann in schwierigen Situationen eine große Hilfe sein. Andreas Birk, Leiter des Jacobs-Teams, begründete die Entscheidung für nur einen Operator mit den Erfahrungen aus der RoboCup Rescue League, bei der die Bremer seit Jahren mit Erfolg teilnehmen. Hier werden Katastrophenszenarien simuliert, bei denen menschliche Helfer eher knapp sind. Daher ist das Ziel, möglichst mehrere Roboter durch einen Operator zu steuern.

In der Raumfahrt ist das Verhältnis jedoch genau umgekehrt. "Wir haben 30 und mehr Operatoren für eine Mission", sagte Gianfranco Visentin, Leiter der Lunar Robotics Challenge. Dabei ist dann jeder Operator lediglich für ein einzelnes Instrument verantwortlich.

Vielleicht haben sich die etablierteren Teams daher gerade durch ihre Erfahrungen mit anderen Wettbewerben selber ein Bein gestellt. Juha Röning, Leiter des finnischen Teams, sagte jedenfalls etwas ganz Ähnliches. Beim European Land-Robot Trial (Elrob), an dem die Finnen zuletzt sehr erfolgreich teilgenommen haben, sei die Vorab-Besichtigung des Wettbewerbsgeländes üblicherweise nicht erlaubt, so Röning. "Daher haben wir auch diesmal darauf verzichtet, uns den Krater anzusehen, in dem der Wettbewerb stattfinden sollte." Dabei war die Besichtigung ausdrücklich erlaubt (und auch kaum zu verhindern) gewesen. Lediglich Tests mit Robotern sollten dort nicht durchgeführt werden.

Weil es bei der Lunar Robotics Challenge nicht nur um die Platzierung geht, sondern vor allem darum, Erfahrungen mit Weltraumszenarien zu sammeln, wurde dem Oulu-Team von Gianfranco Visentin die Gelegenheit zu einem weiteren nächtlichen Lauf eingeräumt – allerdings erst, wenn alle anderen Teams ihre Chance hatten. Es steht zu befürchten, dass die Finnen das Angebot annehmen – und die heutige Wettbewerbsnacht noch länger wird als gestern.

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