Berliner Polizisten trainierten brutale Festnahmen

[mobil.welt.de] Der
Vorwurf wiegt schwer: Insgesamt sieben Führungskräfte der
Direktionshundertschaft aus der Direktion 4 im Süd-Westen Berlins sind
mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben entbunden worden. Sie sollen
im Einsatz provoziert und in der Folge bei Festnahmen mit
"unangemessener Härte" vorgegangen sein.

Ferner hätten sie das
Anschaffen nicht zugelassener Ausrüstungsgegenstände geduldet wenn
nicht gar angeordnet. Polizei-Präsident Dieter Glietsch sprach von
"außerordentlich schwerwiegenden Vorwürfen". Bei aller professionellen
Handhabung des Zwischenfalls gehe ihm dieser an die Nieren, "denn hier
gehe es nicht nur um Straftatbestände, sondern auch um die Gefahr eines
massiven Vertrauensverlusts".

Dabei hatte sich der Ärger um die
Polizeistation an der Eiswaldtstraße in Lankwitz seit geraumer Zeit
angekündigt. Während die Direktionshundertschaft nach außen hin einen
guten Ruf hat und auch bei Großeinsätzen wie in Gorleben und beim
G-8-Gipfel bevorzugt als Unterstützung angefordert wurde, hatte es
intern laut Informationen von WELT ONLINE wiederholt Kritik gegeben.
Denn Angehörige des zweiten Zuges sollen bei Festnahmen über Gebühr
hart vorgegangen sein. "Sie haben Menschen, die passiven Widerstand
leisteten, nicht einfach am Arm abgeführt", so ein Kollege, "sondern
eine konsequentere Festnahmetechnik angewandt, die sonst nur im
Steinhagel durchgeführt wird, wenn es ganz schnell gehen muss". Zwar
sei das immer noch im gesetzlichen Rahmen gewesen, habe aber der
Verhältnismäßigkeit widersprochen.

Ferner sollen einige Beamte so
genannte "Quarzhandschuhe" angeschafft haben. Diese entwickeln beim
Ballen einer Faust eine feste Fläche im Fingerknöchelbereich, wodurch
ein Faustschlag schwerste Verletzungen anrichten kann. Wie WELT ONLINE
erfuhr, soll mit diesen Handschuhen regelrecht trainiert worden sein,
obwohl diese nicht zur Ausrüstung von geschlossenen Einheiten gehören.
Bei einer Durchsuchung der betroffenen Diensträume wurden eben diese
Handschuhe sichergestellt. Ob dem Einzelnen der Einsatz dieser
"Bewaffnung" individuell nachgewiesen werden kann, ist
unwahrscheinlich. Die Ermittler gehen jedoch davon aus, Beweise dafür
bekommen zu haben, dass diese auf Geheiß gekauft wurden. Als erste
Konsequenz wurden der Hundertschaftsführer sowie die Zug- und
Gruppenführer von ihren Aufgaben entbunden, sobald die
strafprozessualen Ermittlungen abgeschlossen seien, werde laut Polizei
die disziplinarrechtliche Würdigung erfolgen.

Sorge um den Ruf der Truppe

Ans
Licht kam der mögliche Polizeiskandal durch die Aussagen von mindestens
zwei Beamten der Einheit, die von den Machenschaften wussten und diese
nicht länger hinnehmen wollten. Offenbar ging mit der Aktion gegen die
mutmaßlichen Täter ein Ruck der Erleichterung durch die Mannschaft.
"Der Direktionsleiter hat uns am Donnerstag nach der Durchsuchung
antreten lassen und uns die Vorgänge geschildert", so ein Beamter.
"Viele waren froh, dass etwas geschieht und der Ruf der Truppe nicht
nachhaltig beschädigt wird."

Gleichzeitig erachten Kollegen der Beschuldigten die Aussage von Dieter
Glietsch als Vorverurteilung. Dieser hatte in einer Presseerklärung
gesagt, die Vorwürfe begründeten den Verdacht, dass hier
"Führungskräfte einer Einsatzeinheit ihre Dienstpflichten gegenüber den
Bürgern dieser Stadt und gegenüber den anvertrauten Mitarbeitern
gravierend verletzt und Straftaten im Amt begangen haben". Da immer die
Gefahr der Verallgemeinerung bestehe, so Glietsch in dem Dokument
weiter, "können sie das Vertrauen in die Integrität der polizeilichen
Arbeit erheblich beeinträchtigen". Angehörige der
Direktionshundertschaft in Lankwitz bemängeln, dies würde bereits
suggerieren, dass die beschuldigten Beamten überführt seien. Dieter
Glietsch betonte dagegen gegenüber WELT ONLINE, dass er es für höchst
unwahrscheinlich halte, dass die Vorwürfe in Gänze nicht stimmen
könnten. "Ich hätte mich sonst nicht in dieser Deutlichkeit
eingelassen", so der Polizeipräsident. Der Vorgang zeige, dass die
soziale Kontrolle in der Polizei funktioniere. Fehleinstellungen,
Dienstpflichtverletzungen und Straftaten würden von Mitarbeitern nicht
geduldet.

Source: http://mobil.welt.de