US-Militär will Mini-Drohnen ausschwärmen lassen

Die Drohne, die in Pakistan einen
britischen Terrorverdächtigen getötet hat, war riesig im Vergleich zu
den Flugobjekten der Zukunft: US-Militärs tüfteln an künstlichen
Mini-Fliegern, gerade einmal so groß wie eine Stubenfliege. Doch die
Forscher stoßen dabei auf komplexe Probleme.

[spiegel.de] Die Militärforschung in den USA ist ein Milliardengeschäft.
Spezielle Agenturen wie die Defense Advanced Research Projects Agency
(Darpa) fördern großzügig Projekte an Universitäten und in der freien
Wirtschaft. Dazu kommen eigene Großforschungslabors des Militärs. Das
Meiste, was in diesen Laboratorien entsteht, bekommt die Öffentlichkeit
nie zu Gesicht. Und wenn doch, dann klingt vieles nach Dingen, die man
bis dahin nur aus Kinothrillern kannte: intelligente Kampfroboter,
selbstständig fahrende Autos,
mit Computerchips aufgepeppte Tiere – allesamt entwickelt für die Schlachtfelder von morgen.

 

Einen interessanten Einblick in ihre Pläne hat nun die US-Airforce
geliefert, die der Nachrichtenagentur AP einen Einblick in ihre
Forschungsarbeit an der Grenze zwischen Wissenschaft und Science
Fiction gegeben hat. Es geht um fliegende Mini-Roboter, sogenannte
Micro Aerial Vehicles, an denen unter anderem Greg Parker vom Air Force
Research Laboratory auf der Wright-Patterson Airbase im US-Bundesstaat
Ohio arbeitet. "Wir stellen uns das so vor: Man würde eine ganze Menge
von diesen Dingern in einem Schwarm losschicken", sagte Parker.

Unbemannte Drohnen gibt es bereits jetzt. Ferngesteuerte Exemplare
in Flugzeuggröße werden vom US-Militär als Kampfmaschinen unter anderem
im Irak und in Afghanistan eingesetzt. In Pakistan wurde zuletzt mit Hilfe eines solchen Killervehikels der britische Terrorverdächtige Rashid Rauf getötet. Auch fußballgroße Drohnen kommen immer wieder zu Einsatz,
zum Beispiel zur Verbrechensbekämpfung.

Doch die Flieger der Zukunft sollen viel, viel kleiner sein – und
überhaupt nicht als Hightechgerät erkennbar. Die Idee: Heerscharen von
fliegenden Kundschaftern sollen Verdächtige möglichst unauffällig aus
der Ferne ausspionieren. Das Ziel der Forscher ist die Entwicklung
eines Spionage- und Kampfroboters, der so klein ist wie eine
Stubenfliege. Er könnte in die Verstecke von feindlichen Kämpfern
eindringen, diese beobachten, vielleicht sogar bekämpfen. Auf dem Weg
zu diesem Ziel haben sich die Forscher klare Schritte gesetzt: Im Jahr
2015 soll ein vogelgroßer, autonom fliegender Kundschafter fertig sein,
im Jahr 2030 eine Ausgabe in der Größe eines Insekts. Die Mini-Drohnen
sollen mit ihren künstlichen Flügeln schlagen, um möglichst wenig
aufzufallen. "Die werden denken, das ist ein Vogel", gab sich
Militärforscher Parker zuversichtlich.

 

Wie lang die Einsatzzeit der Kunst-Insekten sein soll, sagte der
Militär nicht. Dass aber gerade das ein wichtiger Punkt ist, merken
Forscher, die an anderen Orten an der für solche Maschinen notwendigen
Technik arbeiten, zum Beispiel an der Universität im niederländischen
Delft. Wissenschaftler haben dort eine künstliche Libelle, "DelFly", entwickelt.
Ihre durchsichtigen Flügel schlagen 14 Mal in der Sekunde, angetrieben
von einem nur 1,6 Gramm schweren Elektromotor. Die künstliche Libelle
kann immerhin sogar eine Kamera an Bord haben. Doch die Energie aus der
Lithium-Polymer-Batterie reicht nur für 15 Minuten Vorwärtsflug.

Auch im
Laboratory of Intelligent Systems der Technischen Hochschule im schweizerischen Lausanne
wird an fliegenden Robo-Insekten gearbeitet. Dort beschäftigen sich die
Forscher unter anderem mit der Frage, wie die kleinen Flieger mit
Hindernissen klarkommen. Das Ziel: Selbst in hochkomplexen Umgebungen
sollen sich die Mini-Drohnen mit Hilfe von Sensoren und ausgefeilten
Steuerungsprogrammen souverän bewegen können, ohne ständig überall
anzustoßen. Air-Force-Mitarbeiter Greg Parker erklärte, falls es doch
zu einer Kollision komme, dürften die computerisierten Fluggeräte
idealerweise nicht beschädigt werden. "Wenn Sie sich Insekten ansehen:
Die können vor eine Mauer krachen und dann trotzdem weiter fliegen."
Bei einem großen Fluggerät, wie einem Jet, sei solch ein Verhalten
völlig undenkbar, bei einem kleinen aber vielleicht doch möglich.

 

Miao Yu von der University of Maryland arbeitet im Auftrag der Airforce
an der Entwicklung von besonders kleinen Sensoren für die Mini-Drohnen.
Denn klar ist: Je leichter diese beim Flug sind, desto wendiger und
ausdauernder können sie sich im Einsatz präsentieren. Yu studiert für
ihre Baupläne ein natürliches Vorbild, und zwar das Fliegenohr.
Ihr Kollege Richard James von der University of Minnesota arbeitet,
ebenfalls gefördert mit Airforce-Forschungsgeldern, an winzigen neuen
Antennen, mit denen die Drohnen bestückt werden sollen. Der Forscher
stellt dazu mit Hilfe von Nanomaterialien feine Röhrchen.

Die Arbeiten von James laufen unter dem Projektenamen "Game Changer",
also Wendepunkt. Bis aber der Besitz von künstlichen Insekten
tatsächlich zum Wendepunkt in einem Konflikt mit Beteiligung des
US-Militärs wird, dürfte wohl noch eine Menge Zeit vergehen. Und dann
kann es immer noch sein, dass die Gegner über Fliegenklatscher verfügen
– und die teure Robotertechnik in kürzester Zeit zu Brei schlagen.

Von Christoph Seidler

Source: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,592115,00.html