Schweizer Nationalrat lehnt präventive Überwachung ab

[heise.de] Der Schweizer Nationalrat hat mit 92 gegen 79 Stimmen eine Änderung des
seit 1998 geltenden "Bundesgesetzes über Maßnahmen zur Wahrung der
inneren Sicherheit" abgelehnt.
Das unter dem Kürzel BWIS II bekannt gewordene Vorhaben der Regierung,
des Bundesrats, sah unter anderem die präventive Überwachung von
Terrorverdächtigen und Online-Durchsuchung von Computern durch den
Staatschutz vor. Der Nationalrat folgte mehrheitlich der Linie der
Grünen und der SP, die argumentiert hatten, BWIS II schränke die
Freiheit der Bevölkerung zu stark ein und verletze somit die Verfassung. SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer wies in der Debatte
zur Gesetzesänderung auf die Schweizer Rechtskommission hin, die im
Sommer dieses Jahres BWIS II abgelehnt
hatte. Die Kommission vertrat seinerzeit den Standpunkt, dass das
geltende Strafrecht Ermittlern bereits genügend Spielraum biete und die
Privatsphäre Einzelner nicht zu sehr beeinträchtigt werden sollte. Alec
von Graffenried von den Grünen bezweifelte nicht, dass es eine
terroristische Bedrohung gebe und gegen sie vorgegangen werden müsse,
ein Übermaß an Prävention könne aber die Freiheit einschränken. "Neue,
schwammig formulierte und uferlose Kompetenzen wollen wir nicht. Unsere
Freiheit ist uns zu wichtig, als dass wir sie einem diffusen
Sicherheitsbedürfnis opfern möchten."

Auch innerhalb der Parteien CVP und FDP war der präventive
Lauschangriff umstritten. Sie wollten dem Vorhaben zwar zustimmen, den
Gesetzentwurf aber nach einer zweiten Abstimmung zurücksenden, unter
anderem mit der Maßgabe, die Begriffe innere und äußere Sicherheit,
geschützte Rechtsgüter und abstrakt gehaltene Verdachtsmerkmale zu
konkretisieren. Auch sollte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes
überprüft werden.

Bundesrat Samuel Schmid meint, die Schweiz brauche dringend die
Gesetzänderung, sie sei "schon jetzt spät dran". Zuvor hatte er dem
Nationalrat dargelegt, dass die Regierung aber auch bereit gewesen
wäre, eine Zurückweisung zu akzeptieren, um sich dann das Gesetz erneut
vorzunehmen, dabei die Kritikpunkte der Rechtskommission und ein
bereits in Auftrag gegebenes Gutachten von außen zu berücksichtigen.
Das Gesetz geht nun an die zweite Kammer, den Ständerat. (anw/c’t)

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