Indien: Abhören von Telefonaten und E-Mail-Überwachung bei jeglicher Straftat

[heise.de] Das indische Parlament hat mit der Novelle des IT-Gesetzes für den
Subkontinent die Überwachungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden enorm
ausgeweitet. Nach Medien- und Bloggerberichten dürfen Telefonate,
E-Mails und andere Formen der Telekommunikation künftig bei jeglicher
Straftat abgehört werden. Die sonst übliche Eingrenzung dieser tief in
die Grundrechte einschneidenden Maßnahme auf schwere Delikte entfällt
damit künftig in Indien. Weiter erlaubt das Information Technology Amendment Bill, das auf einen Regierungsvorstoß
(PDF-Datei) von 2006 zur Überarbeitung des Information Technology Act
zurückgeht, die Blockade von Webseiten zur Wahrung der nationalen
Sicherheit.

Das überarbeitete Gesetz, welches das indische Ober- und Unterhaus
kurz vor Weihnachten ohne weitere Debatten offenbar unter dem Eindruck
der Terroranschläge von Mumbai
(Bombay) kurz vor Weihnachten in Eile verabschiedeten, sieht ferner
umfangreiche Kompetenzen zur Bekämpfung von Cybercrime wie
Computerbetrug, Phishing oder Angriffe auf IT-Systeme vor. Nicht nur
gegen Kinderpornographie will Indien zugleich scharf vorgehen, sondern
auch jegliche obszönen Darstellungen verbieten lassen. Ein Unterschied
zwischen Produzenten und Nutzern wird dabei nicht gemacht. Auch wer
Porno übers Internet allein anschaut, steht damit bereits mit einem Fuß
im Gefängnis. Ihm drohen bis zu zwei Jahre Haft. Selbst niedere
Polizeibeamte dürfen beim Verdacht auf illegalen Pornokonsum etwa
Wohnungsdurchsuchungen durchführen. Die Reform richtet sich somit
anscheinend auch gegen gewisse Freizügigkeiten, die sich Indiens
Bollywood-Filmindustrie geleistet hat.

Ursprünglich diente das IT-Gesetz dazu, weltweite Vereinbarungen für
den E-Commerce national umzusetzen. Die Novelle enthält somit auch
Bestimmungen, die Zugangsanbieter für die Haftung für gewisse, von
ihnen nur durchgeleitete Inhalte freispricht. Zudem werden Regeln für
den Umgang mit elektronischen Signaturen aufgestellt. Auch ein
pauschaler Schadensersatzanspruch bei Datenschutzverstößen ist
vorgesehen.

Mit der Einfügung der neuen Schnüffel- und Sperrmaßnahmen schießt
das gebilligte Gesetz aber über diese Ziele hinaus und kann für eine
weit reichende Internetzensur genutzt werden. Amnesty International führt Indien bereits seit Längerem auf einer Liste von Staaten, in denen das Internet gefiltert wird. Blogger kritisieren,
dass Indien so in eine totale Überwachungsgesellschaft "schlafwandelt".
Nicht einmal gängige Kunstfreiheiten für Darstellungen würden auf den
Internetbereich ausgedehnt. Selbst wer im Jux eine Bedrohung oder
Persönlichkeitsverletzung im Internet ausspreche oder eine
entsprechende Mail weiterleite, könne ins Kittchen wandern. (Stefan Krempl) /
(jk/c’t)

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