Kabinett beschließt neue Straftatbestände im Staatsschutzrecht

[heise.de] Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am heutigen Mittwoch den
umstrittenen Gesetzentwurf zu neuen Straftatbeständen im
Staatsschutzrecht angenommen, mit dem unter anderem der vorsätzliche
Besuch von Terrorcamps oder die gezielte Verbreitung von
Bombenbau-Anleitungen über das Internet kriminalisiert werden sollen.
"Erkenntnisse aus den Ermittlungen gegen die sogenannten Kofferbomber
und die ‚Sauerland-Gruppe‘ haben gezeigt, dass es in einzelnen Punkten
einer Feinjustierung unseres strafrechtlichen Instrumentariums bedarf",
begründete
die federführende Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) den
Vorstoß. Es sollten im Einklang der strikten Wahrung rechtsstaatlicher
Grundsätze drei neue Straftatbestände geschaffen werden, "um
Vorbereitungshandlungen im Vorfeld von terroristischen Gewalttaten über
das bestehende gesetzliche Instrumentarium hinaus noch gezielter
strafrechtlich erfassen zu können".

Gemäß einer Ende vergangenen Jahres erzielten Einigung mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bleibt es bei der Linie
des Justizministeriums, dass eine Bestrafung des Besuchs eines
Ausbildungslagers den konkreten Vorsatz einer "schweren
staatsgefährdenden Gewalttat" erfordern soll. Ergänzungsbedarf gibt es
laut Zypries insbesondere für Fälle, "in denen einzelne Täter ohne
Bezug zu einer terroristischen Vereinigung aktiv sind". Der bereits
bestehende und heftig umstrittene "Terrorparagraph" 129a sowie seine
Ergänzung in 129b Strafgesetzbuch (StGB) würden noch nicht weit genug
gehen, um terroristische Ausbildungs- und Beschaffungsvorgänge zu
verbieten. Diese würden die Strafbarkeit des Bildens oder Unterstützens
einer terroristischen Vereinigung an die Gefährlichkeit knüpfen, die
von einer Gruppe mit mindestens drei Mitgliedern ausgeht.

Um gegen Hetzpropaganda von Terroristen, Bombenbau-Anweisungen oder
das Werben für eine Ausbildung in terroristischen Trainingslagern
strafrechtlich vorgehen zu können, plant die Bundesregierung die
Schaffung eines neuen Paragraphen 91 StGB. Damit soll vor allem das
Verbreiten oder das Anpreisen von terroristischen "Anleitungen" –
beispielsweise über das Internet – erfasst und mit bis zu drei Jahren
Haft bestraft werden können. Die Umstände müssen dabei laut dem
Kabinettsentwurf "objektiv" geeignet sein, die Bereitschaft anderer zu
fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu
begehen. Auf die Absicht des Täters werde dagegen nicht mehr abgestellt.

Ebenfalls bestraft werden soll, wer sich eine solche Anleitung etwa
durch Herunterladen aus dem Netz verschafft, um eine terroristische
Gewalttat zu begehen. Ein Download beispielsweise aus "jugendlicher
Neugier" werde nicht erfasst, versichert Zypries. Ausgenommen von der
Strafbarkeit seien auch Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung
"rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten oder der
Forschung, Wissenschaft oder Lehre dienen".

Der Entwurf legt auch die Grundlage für einen neuen Paragraphen 89a
StGB. Damit soll vor allem die Ausbildung und das Sich-Ausbilden-Lassen
zum Begehen einer terroristischen Gewalttat mit Freiheitsstrafe von
sechs Monaten bis zu zehn Jahren bewehrt werden. Erfassen will die
Klausel unter anderen auch Vorbereitungshandlungen, bei denen
"Gefährder" bestimmte Stoffe wie Viren, Gifte, radioaktive Stoffe,
(Flüssig-)Sprengstoffe oder besondere zur Ausführung der vorbereiteten
Tat erforderliche Vorrichtungen wie Zünder herstellen, sich
verschaffen, anderen überlassen oder verwahren. Das gleiche soll für
"Grundstoffe" gelten, um solche Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen
herzustellen, oder die Finanzierung eines Anschlags. Ein ebenfalls
neuer 89b bedroht zudem mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe, wer in der Absicht, sich in der Begehung einer schweren
staatsgefährdenden Gewalttat unterweisen zu lassen, Beziehungen zu
einer terroristischen Vereinigung aufnimmt oder unterhält.

Vertreter von Oppositionsparteien beklagen seit Längerem, dass die
neuen Tatbestände mehr Probleme aufwerfen würden, als Lösungen gäben.
Sie wollen ein Abgleiten des Strafrechts in eine "Gesinnungsjustiz" im
Rahmen der nun anstehenden Beratungen des Vorhabens im Bundestag
verhindern. Zypries räumt selbst ein, dass "Vorbereitungshandlungen
grundsätzlich nur ausnahmsweise strafbar sein können". Die Bedingungen
für eine Anwendung der Paragraphen seien in diesen aber "genau
umschrieben". (Stefan Krempl) /
(pmz/c’t)

 Quelle: heise.de