Tod auf Raten

[german-foreign-policy.com] Trotz mehrjähriger Proteste setzt die Bundesregierung ihre Blockadepolitik in Sachen Uranmunition fort. Die Munitionsart, die außergewöhnliche Zerstörungskraft besitzt und daher von NATO-Mitgliedern in sämtlichen größeren Kriegen seit Beginn der 1990er Jahre eingesetzt worden ist, ruft ernste Kontaminationen in ihren Einsatzgebieten hervor. Wissenschaftlern zufolge verursacht sie tödliche Krebserkrankungen und Missbildungen an Neugeborenen. Nach Erkenntnissen westlicher Militärexperten sind davon Hunderttausende, womöglich Millionen Menschen an den Schauplätzen westlicher Kriegsinterventionen betroffen – im Irak, im früheren Jugoslawien und in Afghanistan. Berlin streitet bis heute Verbindungen zwischen dem Einsatz von Uranmunition und den Erkrankungen ab, zumal sich die Vorwürfe auch auf Kriege mit deutscher Beteiligung beziehen und überwiegend engste Bündnispartner der Bundesrepublik betreffen. Zudem waren deutsche Rüstungskonzerne und die Bundeswehr in Entwicklung und Erprobung von Uranmunition involviert. Ein deutsches Gericht beschwert sich, von der Bundeswehr bei der Aufklärung von Vorwürfen, Uranmunition sei in Deutschland in erheblichem Umfang getestet worden, getäuscht worden zu sein. "Die Bundeswehr wird weiterhin die Aufklärung behindern und damit Menschenleben gefährden", vermutet der Dokumentarfilmer Frieder Wagner, der sich seit Jahren mit der Thematik befasst, im Gespräch mit german-foreign-policy.com.

Tödlicher Einschlag

Gegen den Einsatz von Uranmunition durch die Armeen mehrerer NATO-Staaten, insbesondere der USA und Großbritanniens, regt sich seit Jahren heftiger Protest. Uranmunition, nach der englischen Bezeichnung für abgereichertes Uran ("Depleted Uranium") auch DU-Munition genannt, wird seit dem Beginn der 1990er Jahre verwendet, weil sie außergewöhnliche Zerstörungskraft besitzt. Urangeschosse durchschlagen nicht nur mühelos Panzer und Gebäude, sondern lösen anschließend auch Explosionen aus und stehen wegen ihrer umfassenden Vernichtungswirkung bei Militärs hoch im Kurs. Sie wurden in sämtlichen großen Kriegen der vergangenen 20 Jahre angewandt – im Irakkrieg 1991, in den Kriegen gegen Jugoslawien 1995 und 1999, im Irakkrieg 2003 und Indizien zufolge möglicherweise auch im Afghanistankrieg.

Tödliche Folgen

Fatale Wirkung entfaltet Uranmunition nicht nur beim Einschlag ins Ziel, sondern auch danach. Ursache ist, dass das abgereicherte Uran, das zu ihrer Herstellung verwendet wird, sowohl radioaktiv als auch hochgiftig ist. Beim Einsatz der DU-Geschosse entstehen winzige keramisierte Nanopartikel – "praktisch ein Metallgas", erläutert Frieder Wagner im Gespräch mit dieser Redaktion. Wagner ist Dokumentarfilmer und recherchiert bereits seit Jahren über Uranmunition. Wer das "Metallgas" einatmet, "kann furchtbare Krankheiten bekommen", sagt Wagner: "Immunschwäche, Leukämie, Krebstumore." Zudem "kommt es bei Mensch und Tier zu Chromosomenbrüchen."[1] Die Folge sind oft schlimmste Missbildungen bei Neugeborenen. "Und das Problem löst sich auch nicht, wenn alle Menschen, die das Metallgas eingeatmet haben, irgendwann einmal tot sind", warnt Wagner: "Sie geben den deformierten genetischen Code weiter an ihre Kinder und Kindeskinder, wie bei einer Epidemie."

Ein Drittel

Tatsächlich sind die verheerenden Spätfolgen des Einsatzes von Uranmunition bekannt. Ein Beispiel bietet die Kleinstadt Hadzici nahe Sarajewo. Von dort siedelten die jugoslawischen Behörden nach einem NATO-Bombardement 1995 rund 3.500 Menschen um, weil sie schlimme Nachwirkungen fürchteten – offenkundig zu Recht: Binnen nur fünf Jahren starben ein Drittel der aus Hadzici umgesiedelten Menschen – 1.112 Personen – an aggressiven Krebserkrankungen. Hadzici war von DU-Geschossen getroffen worden. "Aus einer vertraulichen Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums ist bekannt, dass nach britischen Erkenntnissen schon die Anwendung von 40 Tonnen Uranmunition zu 500.000 Nachfolgetoten führen kann", berichtet Wagner.[2] Ihm zufolge wurden allein im Golfkrieg von 1991 mindestens 320 Tonnen DU-Munition von den westlichen Alliierten verschossen.

"Kein Zusammenhang"

Abweichend von den britischen Erkenntnissen und den Erfahrungen aus Hadzici lässt die Bundesregierung bereits seit dem Jahr 2001 regelmäßig verlauten, sie erkenne – so die jüngste Formulierung vom November – keinen "wissenschaftlich nachweisbaren ursächlichen Zusammenhang zwischen der Verwendung von Munition mit abgereichertem Uran und den damit von Medienberichten in Verbindung gebrachten Krankheiten".[3] In offenem Widerspruch zu dieser Aussage wurde in der Bundeswehr jedoch schon in den 1990er Jahren ausdrücklich vor DU-Geschossen gewarnt.

Show-Business

Dies berichtete Anfang 2001 detailliert der damalige Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, Bernhard Gertz. Ihm zufolge hatten die zuständigen Bundeswehrgeneräle eine Uran-Warnung der NATO für das Kosovo an die deutschen Truppen weitergegeben. "Deutsche Soldaten waren gewarnt", sagte Gertz; sie hätten die bekannten DU-Fundstellen markiert und für Arbeiten auf verseuchten Gebieten Schutzkleidung sowie Atem- und Strahlenschutzgeräte erhalten.[4] Gertz kritisierte allerdings den damaligen Verteidigungsminister Scharping scharf. Die Truppe, die am 12. Juni in das Kosovo einzurücken begonnen hatte, sei erst am 5. Juli "über die Gefahren von Uran-Munition informiert" worden und nicht bereits beim Einmarsch, wofür Scharping hätte sorgen müssen, beschwerte sich der Chef des Bundeswehr-Verbandes.[5] Dass der Minister zudem behaupte, DU-Geschosse verursachten keinerlei Gefahren für die Gesundheit, sei "ein bisschen Show-Business".

Seit 1970

Mit Uranmunition hatte die Bundeswehr damals bereits jahrzehntelange Erfahrung. Erste Experimente – nach Angaben der Bundesregierung handelte es sich dabei um "Untersuchungen von aus US-Fertigung zur Verfügung gestellter Munition mit Penetratoren aus abgereichertem Uran" [6] – wurden seit 1970 auf dem Schießplatz des Rheinmetall-Rüstungskonzerns in Unterlüß (bei Celle/Bundesland Niedersachsen) durchgeführt – bis zum Jahr 1978. Die Versuche fanden in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung statt. Dasselbe galt für Versuche auf einem Gelände des Rüstungskonzerns Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB – heute ein Teil von EADS) in Schrobenhausen (Bundesland Bayern); diese hatte sich Rheinmetall von den bayrischen Behörden für den Zeitraum von März 1979 bis April 1996 genehmigen lassen.[7] Bernhard Gertz zufolge erwog die Bundeswehr damals, "panzerbrechende DU-Munition zu beschaffen", stellte das Vorhaben jedoch wegen der höchst schädlichen Spätwirkungen von abgereichertem Uran zurück.[8] Aus gutem Grund: Schon in den 1980er Jahren bemerkte eine Bürgerinitiative in Schrobenhausen, dem Rheinmetall-Testort, eine merkwürdige Häufung einschlägiger Erkrankungen.

Politisch nicht durchsetzbar

Auch für die 1980er und die 1990er Jahre liegen deutliche Hinweise auf Bundeswehr-Tests mit Munition aus abgereichertem Uran vor. Presseberichten zufolge hatte das Bundesverteidigungsministerium am 29. Oktober 1986 die Rüstungsfirma Dynamit Nobel beauftragt, eine Machbarkeitsstudie über eine Fertigungsanlage für DU-Geschosse zu erstellen. Im April 1987 kam Bonn demnach jedoch zu dem Schluss, eine solche Anlage sei "angesichts des politischen Umfelds nicht durchzusetzen".[9] Andere Berichte nennen Untersuchungen über das Durchschlagsverhalten von DU-Geschossen, die zu Beginn der 1990er Jahre durchgeführt worden sein sollen – in einem deutsch-französischen Forschungsinstitut und gemeinsam mit den US-Streitkräften. Dass die Wirkungen von abgereichertem Uran durchaus bekannt waren, belegt nicht zuletzt die Warnung eines Experten der Technischen Schule der Luftwaffe in Kaufbeuren. "Schießversuche mit Uran-Hartkerngeschossen im Freien und Kampftätigkeiten stellen eine primäre Gefahrenquelle für die Wasserqualität in dem betreffenden Gebiet dar", hatte der Mann 1982 erklärt und darauf hingewiesen, dass durch DU-Munition "die Tierwelt gefährdet werden" könne.[10]

Mitten in Deutschland

Experimente aus dem Jahr 1983 beschäftigen noch heute die deutsche Justiz. "Im August 1983 hat die Bundeswehr, unter strengster Geheimhaltung, Tests mit Uranmunition durchgeführt", berichtet Frieder Wagner im Gespräch mit german-foreign-policy.com. Dabei verschossen die Streitkräfte "mehrere Tonnen Uranmunition mitten in Deutschland in Bergen/Hohne".[11] Schutzmaßnahmen wurden Wagner zufolge nicht getroffen – um der Geheimhaltung willen. "Einer der Geschädigten ist heute krank und arbeitsunfähig und führt seit vielen Jahren eine Klage auf Wehrdienstentschädigung", berichtet der Filmregisseur. Erst vor wenigen Wochen hat das Landessozialgericht erklärt, von der Bundeswehr über die damaligen Geschehnisse bewusst getäuscht worden zu sein, und hat neue Ermittlungen angekündigt. "Dabei wäre", erklärt Wagner, "eine schnelle Aufklärung wichtig, da auf dem kontaminierten Übungsplatz in Bergen-Hohne immer noch Soldaten üben und auch die Zivilbevölkerung gefährdet ist".

Mitte 2007

Wie die Bundesregierung berichtet, befasst sich die deutsche Rüstungsindustrie mittlerweile erneut mit DU-Geschossen. "Die Firma Rheinmetall hatte Mitte 2007 als Beobachter an Versuchen mit Munition mit abgereichertem Uran in den USA teilgenommen", heißt es in einer Drucksache vom April 2008.[12] Während Rheinmetall "beobachtet", streitet Berlin weiterhin jegliche Kenntnis über die tödlichen Spätwirkungen des Einsatzes von Uranmunition ab. Wie es gelungen ist, im Jahr 2001 auch die mediale Debatte über die Thematik zum Schweigen zu bringen, obwohl die Proteste gegen Uranmunition wegen ihrer tödlichen Folgen seit Jahren anhalten, lesen Sie in wenigen Tagen auf german-foreign-policy.com.
Bitte lesen Sie auch unser Interview mit Frieder Wagner.

[1], [2] s. dazu Todesstaub (I)
[3] Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Kossendey auf eine Anfrage der Abgeordneten Lale Akgün vom 6. November 2008; Deutscher Bundestag, Drucksache 16/10945
[4] Bundeswehrverband: Deutsche Soldaten waren vor Uran gewarnt; Netzeitung 08.01.2001
[5] Gertz nennt Scharpings Informationen zu Uran-Munition "Täuschung"; Netzeitung 23.01.2001
[6] Deutscher Bundestag, Drucksache 16/8992, 25.04.2008
[7] Bundeswehr beauftragte Rheinmetall mit Test von Uran-Munition; Netzeitung 19.01.2001
[8], [9] Uranmunition in Deutschland; antimilitarismus information 2/2001
[10] Bundeswehr 1982 vor Uranmunition gewarnt; Netzeitung 20.01.2008
[11] s. dazu Todesstaub (I)
[12] Deutscher Bundestag, Drucksache 16/8992, 25.04.2008

Tod auf Raten II

Untersuchungsergebnisse eines staatseigenen Forschungsinstituts bestätigen die von Urangeschossen ausgehende Gefahr. Wie der Dokumentarfilmer Frieder Wagner im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt, liegen solche Ergebnisse beim Institut für Strahlenschutz des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF) in Neuherberg bei München vor, werden aber vom staatlichen Träger nicht publiziert. Ihre Veröffentlichung würde laut Wagner Verbündete der Bundesrepublik in Schwierigkeiten bringen, weil sie Uranmunition in erheblichen Mengen einsetzen, so vor allem die USA und Großbritannien. Auch die deutsche Militärpolitik, die sich an Bündniskriegen mit Uranmunition beteiligte, hat den Beweis der tödlichen Spätfolgen zu fürchten. Entsprechende PR-Anstrengungen unternimmt das Bundesverteidigungsministerium. Einer 2001 von Militärs erarbeiteten Auftragsstudie lieh der damalige "Zeit"-Publizist Theo Sommer ("Editor-at-Large") seinen Namen. Bis heute wird die Thematik von den deutschen Mainstream-Medien weitgehend ignoriert.

Erlaubnis zum Mord

Dass Uranmunition nicht nur beim Einschlag in ihr Ziel extreme Zerstörungskraft entfaltet, sondern über den beim Aufprall entstehenden radioaktiven und hochgiftigen Uranstaub auch danach, ist von zahlreichen Wissenschaftlern bestätigt worden. Auch das radiobiologische Forschungsinstitut der US Army räumt ein, dass abgereichertes Uran Krebs hervorrufen kann. "Nach allen vernünftigen Maßstäben, die wir aus den Ergebnissen der Wissenschaft gewinnen, gibt es keine unbedenkliche Dosis, keine ungefährliche in den Körper aufgenommene Alpha-Strahlung", bestätigte noch in den 1990er Jahren der US-Wissenschaftler John Gofman, der an der Entwicklung der Atombombe beteiligt gewesen war: "Wenn dies also eine Tatsache ist, dann ist jede geduldete Verstrahlung die Erlaubnis zu einem Mord."[1]

Kronzeuge GSF

Dass eine solche Verstrahlung von Uranstaub verursacht werden kann, der beim Aufprall von Urangeschossen entsteht, belegt eine Studie des Instituts für Strahlenschutz am Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF) in Neuherberg bei München. Dies berichtet der Dokumentarfilmer Frieder Wagner, der seit Jahren über Uranmunition und ihre Folgen recherchiert, im Gespräch mit german-foreign-policy.com.[2] Der Vorgang ist auch deswegen von Bedeutung, weil das Neuherberger Institut in Berlin mit einer älteren, oft kritisierten Studie als Kronzeuge für eine angebliche Ungefährlichkeit von Uranstaub dient. Gegenstand einer weiteren Studie des GSF ist jedoch das Verhalten eingeatmeter DU-Staubpartikel in der Lunge. "Ein gewisser Teil dieses DU-Materials, etwa ein Drittel, löst sich sehr rasch auf innerhalb von wenigen Tagen, wird also aus der Lunge entfernt. Der andere Teil, etwa die Hälfte bis zwei Drittel, löst sich entweder nur sehr langsam oder vielleicht auch gar nicht auf", erklärte ein Forscher des Instituts gegenüber Wagner.[3] Dieser zweite Teil verstrahlt das angrenzende Zellgewebe. Wagner berichtet, der Neuherberger Forscher habe ihm gegenüber bekannt, "dass man aufgrund der Ergebnisse dieser neuen Studie (…) bereit sein müsse, eigene Fehleinschätzungen zu erkennen und eine 180-Grad-Wendung zu vollziehen." Vor der Filmkamera wollte er die Einschätzung nicht wiederholen.

"Mit Ihnen einer Meinung"

Tatsächlich konnte man die Ergebnisse dieser Studie "bisher in keiner Presseveröffentlichung des Verteidigungsministeriums finden", konstatiert Wagner. "Es liegt darum der begründete Verdacht nahe, dass man ein solches Ergebnis bewusst gegenüber der Öffentlichkeit und dem Parlament unterdrückt hat." Der Verdacht wiegt schwer: Die GSF ist eine Forschungseinrichtung des Bundes und des Bundeslandes Bayern, sie wird zu mehr als 50 Prozent aus staatlichen Mitteln finanziert. Ihre DU-Studien wurden im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums erstellt. Wie Wagner bemerkt, habe das Ministerium seine Erwartung an die GFS bereits bei einer ersten Auftragsvergabe festgehalten. In einem Schreiben, mit dem das Institut für Strahlenschutz für die Studie instruiert wurde, teilte der Auftraggeber mit: "Grundsätzlich bin ich mit Ihnen einer Meinung, daß man bei Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem Golfkrieg hypothetisch von keinem signifikanten gesundheitlichen Gefährdungspotential durch die Anwesenheit von Bestandteilen an DU-Munition und deren Reaktionsprodukten am/im Boden oder an getroffenen militärischen Fahrzeugen ausgehen muß."[4] Damit war der genehme Zielkorridor sämtlicher Untersuchungen eingegrenzt.

Arbeitsstab Dr. Sommer

Ganz in diesem Sinne war zudem ein "Arbeitsstab Dr. Sommer" tätig geworden, den das Bundesministerium für Verteidigung 1999 einsetzte. Bei "Dr. Sommer" handelt es sich um den früheren "ZEIT"-Journalisten Theo Sommer, der zeitweise auch als Leiter des Planungsstabs im Verteidigungsministerium Karriere machte. Der "Arbeitsstab" sollte die mediale Unruhe eingrenzen, die wegen des Einsatzes von Uranmunition beim NATO-Überfall auf die Bundesrepublik Jugoslawien im Entstehen begriffen war. Der "Arbeitsstab", dem auch ein Außenpolitik-Redakteur der einflussreichen Frankfurter Allgemeinen Zeitung angehörte [5], kam zu einem beruhigenden Ergebnis: Durch Uranmunition entstehe keine besondere Gefahr für Soldaten und Zivilbevölkerung.

Verharmlosend und fehlerhaft

Kritiker bemerkten bereits damals, in dem Bericht des "Arbeitsstabes" sei vermerkt, "dass US-Soldaten die Einsatzorte der Uranmunition im Kosovo sofort nach dem Einmarsch gründlich von Munitionsresten gereinigt haben" – "ein völlig unnützer Aufwand, wenn die Risiken so gering wären, wie der Bericht sie einschätzt".[6] Bemerkenswert ist etwa auch, dass der Bericht erklärt, in der jugoslawischen Kleinstadt Hadzici – dort waren im September 1995 rund 2.600 Uran-Geschosse der NATO-Truppen niedergegangen – habe man "keinerlei Kontaminierung" festgestellt.[7] Von rund 3.500 Menschen, die nach dem NATO-Bombardement aus Hadzici umgesiedelt worden waren, verstarben binnen fünf Jahren 1.112 Personen – fast ein Drittel – an aggressivem Krebs.[8] Sommers Bericht zitiere "aus allen möglichen, meist verharmlosenden und fehlerhaften Studien", resümiert Wagner die merkwürdigen Befunde des Editor-at-Large der Wochenzeitung Die Zeit.[9]

Signal

Ihre Wirkung gegenüber den deutschen Medien hat die Auftragsarbeit für das Verteidigungsministerium jedoch nicht verfehlt. Monate vor der Veröffentlichung des "Arbeitsstab"-Berichts warf Theo Sommers Wochenzeitung "Die Zeit" den über Uranmunition berichtenden Journalisten "kollektive Hysterie" vor und rief nach der Veröffentlichung eine "Blamage der Alarmisten" aus – ein Signal, das rasch wirkte: Seit dem Sommer 2001 sind Berichte über die tödlichen Spätfolgen von Uranmunition aus den großen deutschen Medien fast völlig verschwunden.[10] Dass die geringe Überzeugungskraft des Arbeitsstab-Berichtes der Grund dafür ist, kann als unwahrscheinlich gelten. Tatsächlich gefährdet die Kritik an DU-Munition die Militärpolitik Berlins, die zur Verfolgung ihrer weltweiten Interessen nach wie vor auf das westliche Kriegsbündnis und auf dessen Waffensysteme angewiesen ist.
Bitte lesen Sie auch Teil 2 und Teil 3 unseres Interviews mit Frieder Wagner. Teil 1 des Interviews finden Sie hier. Weitere Informationen zur deutschen Beteiligung an Entwicklung und Erprobung von Uranmunition finden Sie hier.

[1] Gofman J.W.: Radiation Induced Cancer from Low-Dose Exposures, 1990
[2], [3] s. dazu Todesstaub (II)
[4] s. dazu Gefährdungspotenzial
[5] Bericht des Arbeitsstabes Dr. Sommer: Die Bundeswehr und ihr Umgang mit Gefährdungen und Gefahrstoffen. Uranmunition, Radar, Asbest, 21. Juni 2001
[6] Nebelkerzen im Doppelpack?; NDR: Streitkräfte und Strategien, 30.06.2001
[7] Bericht des Arbeitsstabes Dr. Sommer: Die Bundeswehr und ihr Umgang mit Gefährdungen und Gefahrstoffen. Uranmunition, Radar, Asbest, 21. Juni 2001
[8] s. dazu Tod auf Raten (I)
[9] s. dazu Todesstaub (II)
[10] s. dazu Todesstaub (III)

Source: http://www.german-foreign-policy.com (I) / http://www.german-foreign-policy.com (II)

One response to “Tod auf Raten”

  1. Elstrud Consoir

    Da reden die Politiker von Frieden, liefern aber Plutoniumwaffen, nehmen Krankheit, Tod und Elend der wehrlosen armen Menschen in Kauf. Menschenrechtsverletzungen, Mord ohne Ende.
    Dafür habe ich keine Worte.Sollen Sie doch selbst in die Krisengebiete gehen und sich dem hochgiftigen Stäuben aussetzen. Da kann ich nur sagen, Mörder,Mörder.
    Keine Waffenherstellung mehr – und der Frieden kommt.
    Sehr schön finde ich Folgendes:
    Das Glücksprinzip
    Tu etwas Großes,Gutes
    für drei andere Menschen.
    Gib weiter, dass auch jeder
    von diesen etwas Großes
    für drei andere Menschen tut.
    Es wird dann bald
    die Welt verändern.