Strafverfahren gegen deutsche Studenten in Bilbao / Prozessbeobachtung durch den RAV

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

Am 6. Juni 2012 findet vor dem Untersuchungsgericht Nr. 5 (Juzgado de Instrucción n° 5) in Bilbao, Spanien, ein Schnellverfahren gegen zwei Studenten aus Hamburg bzw. Bremen statt. Ihnen wird vorgeworfen, am 21. September 2011 in Bilbao anlässlich der Räumung des Stadtteilzentrums „Kukutza III“ einen Müllcontainer umgestoßen und in Brand gesteckt zu haben. Das Gericht hat für die Verhandlung ohne erkennbaren Anlass erhöhte Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Die Staatsanwaltschaft forderte im Vorfeld der Verhandlung jeweils eine 3 1/2jährige Haftstrafe. Die Beschuldigten bestreiten den Tatvorwurf. Nachdem das Gericht sich zunächst geweigert hatte, benannte Alibizeugen zu hören, werden diese in der bevorstehenden Verhandlung vernommen werden.

Rechtsanwalt Iňaci Carro, der Verteidiger der Beschuldigten, erklärt: „Es ist offensichtlich, dass die Vorwürfe gegen die beiden konstruiert sind. Die Polizei wollte wohl schnell Erfolge vorweisen. Bei den solidarischen Aktivist_innen aus dem Ausland haben sie eine leichte Beute vermutet und daher gezielt Leute festgenommen die vermeintlich kein Spanisch sprechen“.

Aus Sicht des RAV ist zu besorgen, dass in diesem Verfahren rechtsstaatliche Mindeststandards missachtet werden. Hierfür spricht neben der Vorgeschichte und der erheblichen Strafandrohung, dass den Betroffenen bis heute keine Übersetzung der Anklageschrift vorliegt, so dass eine Verteidigung für die nicht spanischsprachigen Angeklagten nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Eine Verpflichtung zur Übersetzung der Anklage ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 a) der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).
Rechtsstaatlich bedenklich ist außerdem, dass dem Umstand, dass die beiden Aktivisten bei ihrer Festnahme Namen und Telefonnummer eines Rechtsanwalts auf ihre Arme notiert hatten, indizielle Bedeutung für eine Täterschaft zukommen soll. Dies verkennt den Umstand, dass es auch nach den Erfahrungen des RAV im Rahmen von Protestaktionen regelmäßig zu rechtswidrigen Festnahmen kommt und schneller anwaltlicher Beistand in dieser Situation besonders bedeutsam ist. Im Übrigen sichert auch die EMRK das Recht einer jeden Person zu jeder Zeit einen Verteidiger zu kontaktieren (Art. 6 Abs. 3 c) EMRK). Sollte eine beabsichtigte Kontaktaufnahme im Falle einer (rechtswidrigen) Verhaftung als Indiz für die Schuld eines Betroffenen angesehen werden, wird das Recht auf die Konsultation eines Verteidigers ad absurdum geführt und die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) ausgehebelt.

Bei der Hauptverhandlung werden zwei Prozessbeobachter_innen des RAV anwesend sein.

Source: email