Polizeigewalt gibt’s hier nicht – Niedersächsischer Landtag debattiert über Versammlungsgesetz

[rakete.blogsport.de] Der
niedersächsische Landtag debattierte am 7. Oktober in Hannover über die
Einführung eines niedersächsischen Versammlungsgesetzes. Die Grünen
hatten einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Seit der
Föderalismusreform können die Bundesländer eigene Versammlungsgesetze
erlassen. Diese Gelegenheit wollten die Grünen dafür nutzen, „das
geltende Versammlungsrecht zu reformieren, zu modernisieren und an die
höchstrichterliche Rechtsprechung anzupassen.“ Die Landesregierung
sieht dies offenbar anders und attestierte dem Entwurf, er sei
wirklichkeitsfremd. Ein Vorwurf, den die Opposition in der Diskussion
berechtigter Weise an die regierungstragenden Parteien zurück gab.

Kern
der Diskussion im Landtag war die Forderung der Grünen nach einer
Kennzeichnungspflicht von Polizisten auf Versammlungen. „Die
Polizeibeamten müssen als solche erkennbar sein und Namensschilder
tragen oder durch eine anderweitige Kennzeichnung für die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer identifizierbar sein“ heisst es
entsprechend in §4 des grünen Gesetzesentwurfs. „Polizei und
TeilnehmerInnen sollen so weit wie möglich vertrauensvoll kooperieren.
Dafür ist es eine gegenseitige Identifikation nötig“, begründeten die
Grünen diesen Vorstoß.

Stichhaltige Argumente gegen die
Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizisten hatte
Hans-Christian Biallas von der CDU nicht vorzuweisen. Vielmehr
polemisierte er fortwährend, die Grünen säten in ihrem Gesetzesentwurf
Misstrauen gegenüber der Polizei. Warum er jedoch im Umkehrschluß die
Polizei von jeglichem Fehlverhalten frei sprach, blieb unklar. Logische
Konsequenz dieser Argumentation wäre die Abschaffung des
verwaltungsrechtlichen Klageweges gegen polizeiliche Maßnahmen.

Weiterhin
behauptete Biallas, in der Bundesrepublik hätte es noch nie
Polizeiübergriffe auf friedliche Demonstranten gegeben. „Das ist völlig
unhistorisch. Der Mann hat schlicht und ergreifend keine Ahnung, wenn
er das hier behauptet“, warf ihm daraufhin der innenpolitische Sprecher
der Grünen, Ralf Briese vor.

Ein einziges Argument gegen eine
Kennzeichnungspflicht lieferte der als Hardliner bekannte Innenminister
Uwe Schünemann. Es sei mit dem Schutz der Privatsphäre der Beamten
nicht zu vereinbaren, dass sie Namensschilder tragen müssten. Zudem
stellte Schünemann fest, es sei insofern „völlig klar, dass wir das
nicht mitmachen“. Da konnten die Grünen noch so oft einwerfen, dass ihr
Entwurf aus diesem Grund explizit das Tragen einer Nummer als
Alternative zu einem Namensschild vorsieht. Hier sah Schünemann
plötzlich eine zu große Distanz zwischen Polizisten und Bürgern, die er
verhindern wolle. Schließlich gebe es die Verpflichtung für die
Beamten, sich auszuweisen, wenn dieses in der Situation möglich sei.
„Das tun sie aber nicht!“, brachte Ursula Helmhold ihre
Demonstrationserfahrung ein.

Kritik am Gesetzesentwurf gab es
auch aus den Reihen der Linken, die den einzelnen Bestandteilen zwar
Zustimmten, aber Zweifel an der politischen Wirkung hatten. Die
innenpolitische Sprecherein Pia-Beate Zimmermann sagte, sie sei
unsicher, ob der „Gesetzesentwurf für die hiesige Koalition und
insbesondere für den hiesigen Innenminister Schünemann nicht eher eine
Steilvorlage ist, um in Sachen Versammlungsrecht bayerische
Verhältnisse zu etablieren.“

Im Januar 2009 werde die
Landesregierung einen eigenen Gesetzesentwurf zum Versammlungsrecht
vorlegen, kündigte Innenminister Schünemann an. Ziel sei es, sich dabei
mit allen norddeutschen Ländern abzustimmen. Aus Bremen sei bereits die
Möglichkeit einer Zusammenarbeit signalisiert worden. Mit Hamburg seien
die Verhandlungen allerdings ins Stocken geraten, seit die Grünen dort
an der Regierung beteiligt sind. Die taz berichtete am 4.10., dass der
CDU Entwurf ein “Militanzverbot” und stärkere Daten-Erhebungen im
Vorfeld von Demonstrationen vorsieht. Auch die erste Debatte zum Thema
im Landtag lässt nun starke Zweifel daran aufkommen, dass in
Niedersachsen ein versammlungsfreundlicheres Gesetz erlassen wird.

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