Mikrodrohnen überwachen Hooligans

[vdi-nachrichten] Wenn
Hooligans in Sachsens Fußballstadien randalieren, werden sie künftig
wohl häufiger einen prüfenden Blick zum Himmel werfen: Wo ist es, das
fliegende Auge? Denn die sächsische Polizei ist seit kurzem im Besitz
von zwei Drohnen. Sensocopter heißen die unbemannten Fluggeräte des Überlinger
Wehrtechnikproduzenten Diehl BGT Defence. Bei einer Reichweite von 3 km
bleiben sie bis zu 30 min in der Luft, bevor die Akkus für den leisen
Elektroantrieb erlahmen. Mit Kameras ausgestattet sollen sie – aus
sicherer Position ferngesteuert – Fotos und Videobilder aus der Luft
live in die Polizeieinsatzzentrale funken.

Sachsens Innenminister
Albrecht Buttolo hofft, dass mit Hilfe dieser Technik Rädelsführer in
der Menschenmenge schneller identifiziert, verfolgt und mit
beweisträchtigen Bildern überführt werden können.

"Bisher ist die
Polizei hauptsächlich damit beschäftigt, die Randale überhaupt in den
Griff zu bekommen. Da fehlt dann häufig die Zeit für die ordentliche
Sicherung von Bildbeweisen", sagte Steffen Große, Sprecher des
Sächsischen Staatsministeriums des Inneren, gegenüber den VDI
nachrichten. "Die Drohnen bieten uns völlig neue Perspektiven der Bild-
und Videodokumentation." Auch bei Entführungen und Geiselnahmen sollen
die fliegenden Polizeispäher helfen.

Das Beispiel Sachsen zeigt
einen neuen Trend: Bisher wurden Drohnen meist vom Militär als
Aufklärungsflugzeuge genutzt. Doch dank immer einfacherer Technik und
sinkender Preise rücken die fliegenden Roboter zunehmend ins Blickfeld
ziviler Anwender.

"Zu unseren Kunden zählen neben der Bundeswehr
auch Feuerwehr, Polizei, Privatdetektive, Überwachungsfirmen und
Luftbildfotografen", so Udo Juerss, Chef der Firma Microdrones in
Kreuztal bei Siegen, die an der Entwicklung der Sensocopter beteiligt
ist.

Mehr als 300 des mit dem Sensocopter verwandten Modells
MD4-200 hat Microdrones in den vergangenen zwei Jahren bereits weltweit
verkauft. Kostenpunkt je nach Ausstattung: 10 000 € bis 25 000 € pro
Stück.

Die Drohne, kaum größer als ein Tortenuntersatz und nur
800 g schwer, ist ein sogenannter Quadrokopter, also ein Helikopter mit
vier über Kreuz installierten, gegenläufigen Rotoren.

"Durch
diese Anordnung erreichen wir eine wesentlich eigenstabilere Fluglage
als bei einem herkömmlichen Hubschrauber", sagte Juerss. Eine
elektronische Lageregelung lässt die MD4200 verwacklungsfrei auf der
Stelle schweben – ideal für scharfe Luftbilder.

Die Kameras haben
eine in der Neigung verstellbare Aufhängung und können, je nach
Einsatzzweck, recht schnell ausgetauscht werden: Foto-, Video-,
Nachtsicht- und Wärmebildkameras sind vorgesehen. Und die Arnsberger
Firma Airrobot, die als Hauptkonkurrent von Microdrones ebenfalls
unbemannte Helikopterdrohnen entwickelt, hat gar einen Sensor für
radioaktive Strahlung im Lieferprogramm.

Bisher werden Drohnen
per Funk von menschlichen Piloten gesteuert. In Zukunft könnte sich das
ändern. Airrobot ist an einem von der EU mit 3,3 Mio. € geförderten
Forschungsprojekt namens µDrones beteiligt.

Ziel ist eine
vollkommen autonome Flugsteuerung für kleine Drohnen als
Umweltmessstationen. Die Geräte sollen dann, etwa zur regelmäßigen
Kontrolle von Atomkraftwerken, eine über GPS-Koordinaten
einprogrammierte Route abfliegen und dennoch unerwarteten beweglichen
Hindernissen automatisch ausweichen können.

Routinemäßige
Überwachungsmissionen mit Drohnen sind auch für Grenzkontrollen
interessant. In den USA fliegen sie bereits regelmäßig entlang der
südlichen Grenze zu Mexiko. Ausgestattet mit Wärmebildkameras helfen
sie nachts Schmuggler und illegale Einwanderer aufzuspüren.

Auch
in Europa überlegt man, die Außengrenzen mit Drohnen zu kontrollieren.
Border Surveillance by Unmanned Aerial Vehicle (BSUAV) heißt das
EU-Projekt. Unter Federführung des französischen Luftfahrtkonzerns
Dassault soll ein Konsortium von acht Industriepartnern zeigen, wie
Drohnen sinnvoll und kostengünstig in den Grenzschutz einzubeziehen
sind.

Die französische Firma Flying Robots aus
Illkirch-Grafenstaden bei Straßburg entwickelte dafür bereits einen
ersten, ungewöhnlichen Drohnen-Prototypen und absolvierte damit im
vergangenen Herbst in der spanischen Extremadura erfolgreiche Testflüge.

Künftig
könnten Drohnen auch als Spielzeug von Privatpersonen am Himmel
auftauchen. Verschiedene Hobbyentwickler haben bereits bewiesen, dass
es gar nicht teuer sein muss, kleine Modellflugzeuge und Quadrokopter
mit einer automatischen Flugregelung und Kameras auszustatten.
Verdeckte Filmaufnahmen sind Privatleuten offiziell zwar nicht erlaubt.
Doch wer soll das kontrollieren? Thilo Weichert,
Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein, gibt unumwunden zu: "Das
Verbot lässt sich nicht 100%ig durchzusetzen." LUCIAN HAAS/ber

Source: http://www.vdi-nachrichten.de