Interpol will zentrale Biometriedatenbank

[heise.de] Im Interesse einer besseren Strafverfolgung macht sich Interpol
für die Sammlung digitaler Gesichtsbilder etwa an Grenzkontrollpunkten
und einen automatischen Abgleich mit Fahndungsdatenbanken stark. Den
Aufbau eines entsprechenden Überwachungssystem hat Mark Branchflower
Chef der Fingerabdruck-Abteilung des Polizeinetzwerks, laut einem Bericht des britischen "Guardian" im Vorfeld der Branchenmesse Biometrics 2008
in Westminster vorgeschlagen. Dort will der Ermittler nähere
Ausführungen über die "Vorteile einer zentralen Speicherung"
biometrischer Daten und die "Notwendigkeit des verstärkten
Datenabgleichs und der Vernetzung verschiedener nationaler und
internationaler Initiativen" sprechen.

An einigen internationalen Flughäfen wie in Frankfurt, Amsterdam
oder Manchester sind bereits biometrische Systeme zur Gesichtserkennung
im Probe- oder Regelbetrieb. Die dort erhobenen oder bei einer
Passkontrolle erfassten Gesichtsbilder will Branchflower zentral
erfassen und mit bestehenden Polizeidatenbanken, die Bilder von
Terrorverdächtigen, international gesuchten Verbrechern oder
Flüchtlingen enthalten, vergleichen. "Gesichtserkennung ist ein
Schritt, den wir rasch gehen können", erklärte der
Interpol-Führungsbeamte. Sie werde verstärkt in schier allen Ländern
eingesetzt. "Wir haben so viele Daten, aber sie sind noch nicht in
durchsuchbaren Datenbanken." Eine Aufzeichnung der Gesichtsbilder wäre
so eine gute Ergänzung zu den bestehenden Computersystemen für
Fingerabdrücke und DNA-Daten.

Erforderlich ist ein solches gigantisches Biometriesystem laut
Branchflower zum einen, da 800 Millionen Reisende weltweit jedes Jahr
nicht auf ihre Ausweisdokumente achteten und diese verloren gingen.
Schon ein 1:1-Vergleich von biometrischen Daten aus einem Pass mit live
erstellten Gesichtsbildern oder Fingerabdrücken bei einer
Polizeikontrolle könnte Betrugsversuchen aber schon einen Riegel
vorschieben. Branchflower verwies daher auch auf die Möglichkeit, dass
die Ermittler mit Hilfe des vorgeschlagenen Überwachungsapparates etwa
den kanadischen, im vergangenen Herbst wegen Kindesmissbrauch gesuchten
Lehrer schon beim Betreten Thailands hätten festnehmen können. So sei
er erst zwei Wochen später dingfest zu machen gewesen.

Die britische Bürgerrechtsorganisation No2ID,
die sich gegen die in Großbritannien geplante Einführung nationaler
Personalausweise richtet, hat bereits Bedenken gegen den
Interpol-Vorstoß angemeldet. "Strafverfolger wollen die effizientesten
Systeme", erklärte ein Sprecher der Aktivisten. Dabei würden sie nur
leicht vergessen, dass Forderungen im Rahmen der inneren Sicherheit mit
dem Schutz der Privatsphäre ausbalanciert werden müssten. Schon jetzt
würden viel zu viele Informationen über Reisende etwa mit der
jahrelangen Speicherung von Flugpassagierdaten gesammelt. Das
vorgeschlagene Biometriesystem richte sich nicht mehr auf eine gezielte
Strafverfolgung einzelner Personen aus, sondern strebe eine
Massenüberwachung im Stil von Geheimdiensten an.

Einen Verbündeten könnte Interpol dagegen in der EU-Kommission
haben. Die Brüsseler Behörde hatte sich im vergangenen Jahr unter einer
anderen Schwerpunktsetzung für eine zentrale Datenbank für Fingerabdrücke stark gemacht. Schon jetzt können Strafverfolger in EU-Mitgliedsstaaten auf Basis des umstrittenen Prümer Vertrags
DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregisterdaten elektronisch einfacher
austauschen und die entsprechenden nationalen Datenbanken vernetzten. (Stefan Krempl) /
(jk/c’t)

Source: http://www.heise.de/newsticker/Interpol-will-zentrale-Biometriedatenbank–/meldung/117672