[cop2cop.de] Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann hält eine länderübergreifende Strategie gegen Extremismus für erforderlich.
Dafür regte er einen regelmäßigen Fachaustausch zwischen Polizei und
Verfassungsschutz an. Anlässlich der Fertigstellung des Norddeutschen
Lagebildes Rechtsextremismus sagte Schünemann am Freitag in Hannover:
„Die Erkenntnisse in den norddeutschen Bundesländern lassen in Teilen
auf eine strukturelle Vernetzung und organisierte Zusammenarbeit der
rechtsextremistischen Szene schließen.” Um dieser gemeinsamen
Herausforderung gewachsen zu sein, müssen die Erfahrungen und
Erkenntnisse noch stärker ausgetauscht und Maßnahmen im Kampf gegen den
Extremismus abgestimmt werden, so der Innenminister. Dies gelte auch zum Beispiel für gemeinsame Präventionsprojekte in den norddeutschen Bundesländern.
Eine zunehmende Kooperation von Rechtsextremisten machte der
Innenminister in den folgenden Bereichen fest: Rechtsextremistische
Konzerte würden von den Veranstaltern häufig zunächst pauschal für den
norddeutschen Raum angekündigt. In die Planung und Durchführung des
jeweiligen Konzertes seien in der Regel Rechtsextremisten aus mehreren
norddeutschen Bundesländern eingebunden. Um die ungestörte Durchführung
des Konzertes zu gewährleisten, planten die Veranstalter von vornherein
mit alternativen Veranstaltungsstätten, so dass bis kurz vor Beginn des
Konzertes unklar bleibe, in welchem norddeutschen Bundesland das
Konzert tatsächlich stattfindet. Zudem sei eine zunehmende
Zusammenarbeit führender Repräsentanten norddeutscher, insbesondere
niedersächsischer Kameradschaften festzustellen, so der Minister. Bei
Wahlen sei eine wechselseitige Unterstützung ebenso zu registrieren wie
bei der Durchführung von Demonstrationen im norddeutschen Bereich.
„Der Notwendigkeit einer gemeinsamen Bekämpfungsstrategie wird nicht
zuletzt unterstrichen durch die Aktivitäten des Hamburger
Rechtsextremisten Jürgen Rieger, der in mehreren norddeutschen
Bundesländern aktiv ist”, sagte Schünemann. In Niedersachsen seien
vermehrt Ankäufe bzw. Ankaufsversuche von Immobilien durch Jürgen
Rieger bekannt geworden. Beispielhaft dafür seien der Heisenhof in
Dörverden, das Hotel in Delmenhorst sowie aktuell das Hotel Gerhus in
Faßberg. Eine adäquate Reaktion auf Riegers Pläne müsse deshalb in
enger Abstimmung der norddeutschen Bundesländer erfolgen.
Zur wirksamen Bekämpfung des Rechtsextremismus lägen in Niedersachsen bei Polizei und
Verfassungsschutz bereits auf die spezifischen Erscheinungsformen zugeschnittene Präventionsprogramme
vor, so Schünemann. Umfassende fortlaufende Aufklärungsmaßnahmen über
Extremismus, Beratung der Kommunen, Multiplikatorenschulungen,
Schulprojekte, Ausstellungen und die Konzeption von
Unterrichtsmaterialien seien hier ebenso hervorzuheben wie die
Mitwirkung im Landespräventionsrat. Als einziges norddeutsches
Bundesland habe Niedersachsen eine Ausstellung über den
Rechtsextremismus konzipiert. Einzigartig sei auch der
Landesbeauftragte zur Beratung der Kommunen in Hinsicht auf den
beabsichtigten Erwerb von Immobilien durch Rechtsextremisten. In beiden Fällen könne von Pionierarbeit im
norddeutschen Raum gesprochen werden. Für einige Maßnahmen gebe es
bereist Nachfragen aus anderen Bundesländern. Der Innenminister wird
auf der Nord-IMK den anderen norddeutschen Bundesländern über die
Erfahrungen berichten.
Einen ebenso engen Informationsaustausch regte Minister Schünemann im Bereich des Linksextremismus
an. Auch hier erfordere die aktuelle Entwicklung eine gemeinsame Bekämpfungsstrategie der norddeutschen Länder.
Der Minister verwies auf das besondere Gefährdungspotential durch autonome Gewalt. Linksextremistische
Gewalttaten würden in erster Linie von Autonomen verübt. Im Vergleich
der ersten Halbjahre 2007 und 2008 sei die Zahl der antifaschistisch
motivierten Straftaten von Autonomen um ein Drittel von 122 auf 184
angestiegen. Bei Straftaten und Aktionen der Autonomen stünden die
Themen Antifaschismus, Antirepression, Antimilitarismus oder die
Castor-Transporte im Vordergrund. Antifaschismus, so Schünemann, sei
weiterhin bedeutendster Anlass zur Begehung von Straftaten. Als
Feindbild stellten Autonome dabei nicht nur rechtsextremistische
Strukturen, sondern vielmehr die Bundesrepublik Deutschland dar.
Antifaschismus bedeute für Autonome Kampf gegen den Staat. Von
herausgehobener Bedeutung sei hierbei die zunehmende Gewalt im
Zusammenhang mit Rechts-Links-Auseinandersetzungen.
Autonome instrumentalisierten, so der Minister, zunehmend den
zivilgesellschaftlichen Kampf gegen Rechtsextremismus im Rahmen von
Demonstrationen und brächten zunehmend eine gewalttätige Komponente in
die Auseinandersetzung und schädigten somit das demokratische Anliegen
der Bürger.
Die Partei DIE LINKE biete linksextremistischen Strömungen ein
Sammelbecken und kooperiere insbesondere eng mit den gewaltbereiten
Autonomen, so Schünemann. Deshalb werde die Partei auch weiterhin vom
Verfassungsschutz beobachtet. Um auf diese Herausforderung angemessen
reagieren zu können, müsste die Bevölkerung verstärkt aufgeklärt und
sensibilisiert werden.
„Aufklärung tut Not. Sozialpolitische Demagogie muss widerlegt werden”,
betonte der Innenminister. Als Strategie der Auseinandersetzung mit den
Linksextremisten legte der Minister einen „5-Punkte-Plan” vor, der sich
vor allem an junge Leute und Schulen richte. Im Mittelpunkt hierbei
stehen eine geplante Ausstellung zum Linksextremismus, gezielte
Lehrerfortbildungen, umfangreiche Vorträge an Schulen, die Erstellung
von Handreichungen für Multiplikatoren. Als letzten Punkt kündigte der
Minister die Durchführung von regelmäßigen Fachtagungen zum
Linksextremismus an.