Europäischer Polizeikongress: Polizist muss Traumberuf für Informatiker werden

Kaum war die hohe Politik mit ihrer Debatte um die Fluggastdatenspeicherung
in Europa verschwunden, der Stangenwald der Kameras abgebaut und die
Busladungen von adretten PolizeischülerInnen abgefahren, hatten
Alltagsthemen den europäischen Polizeikongress in Griff. Draußen
blitzten lustig die Blaulichter der Busse, die den Kongress vor den weit entfernten Demonstranten
schützten und damit für ein "bisschen Heiligendamm-Feeling" sorgten,
wie ein Teilnehmer witzelte. Drinnen, im bcc, ging es in den
Cyberkrieg. "Wir können nicht jedes Fetzelchen des Internets
kontrollieren. Aber wir müssen verhindern, dass Terroristen
ungehinderten Zugang zum Cyberspace haben," rief Katharina von Knop, an
der Hochschule der Bundeswehr lehrende Terrorismus-Expertin die
versammelten Polizisten zum Handeln auf.
Doch wer soll das verhindern, wenn keine ausgebildeten Kräfte da
sind, die sich im Cyberspace bewegen können? Mit Ausnahme der jungen
Polizeitruppe im Bundeskriminalamt gibt es in der Polizei viel zu wenig
Einsatzkräfte, die das Internet verstehen. "Der Tatort Internet ist die
Herausforderung schlechthin. Wir dürfen da nicht immer
hinterherhecheln. Mit der Entgrenzung des Verbrechens brauchen wir
echte Internetfahnder", umriss Klaus Jansen vom Bund der deutscher
Kriminalbeamter die Situation. "Da kommt ein Bürger auf die
Polizeiwache in Gürtersloh und beschwert sich, dass er auf eBay
hereingelegt wurde. Der Beamte nimmt die Anzeige auf und muss plötzlich
weltweit ermitteln. Das haut einfach nicht hin." Nach Ansicht von
Jansen braucht die deutsche Polizei akut 4000 Internetfahnder, die als
gut ausgebildete Informatiker von den Universitäten kommen müssen. "Wir
konkurrieren um Top-Leute auf Augenhöhe mit IBM und SAP", meinte Jansen
und bedauerte, dass sich so wenige IT-Spezialisten für eine
Polizeilaufbahn interessierten.

Gleich drei deutsche Gewerkschaftsvorsitzende waren in Berlin
gemeinsam angetreten, auf die aktuellen Missstände bei der
Polizeiarbeit hinzuweisen. Neben Jansen hofften auch Rainer Wendt von
der Deutschen Polizeigewerkschaft und Konrad Freiberg von der
Gewerkschaft der Polizei auf eine deutliche Kurskorrektur der Politik,
die "ständig vom Gefahrenraum Deutschland redet, aber Stellen kürzt"
(Freiberg). Seit 2001 sind bei der Polizei 10.000 Beamtenstellen und
7.000 Posten von Verwaltungsangestellten gestrichen worden, wie
GdP-Chef Freiberg referierte. In seinem Eingangsreferat kritisierte er
die "nicht wirklich wertvollen Vorstöße aus Bayern",
ohne Abwarten auf der Entscheidung der Verfassungsrechtler mit der
Online-Durchsuchung von Computern zu beginnen. Außerdem forderte er für
die Polizei ein Entsendegesetz, wie es beim Militär der Fall ist. Die
Polizei dürfe nicht mal eben so in klammheimlichen Einsätzen in fremde
Länder geschickt werden, sondern müsse mit parlamentarischer
Legitimation ihre Aufträge wahrnehmen.

Versöhnlichere Töne schlug Rainer Wendt von der Deutschen
Polizeigewerkschaft an. Er schilderte die Polizeiarbeit als den
schönsten Beruf der Welt und äußerte sein Unverständnis, dass dringend
benötigte Informatiker kein Gefühl für den Dienst an der Gemeinschaft
hätten. Zu der von Freiberg beklagten fortgesetzten Stellenstreichung
wurde aber auch Wendt sehr deutlich und forderte generell ein
Hausverbot für Unternehmensberater à la McKinsey an allen deutschen
Polizeidienststellen. "Der Polizeiberuf wird immer spannender. Wir
müssen für ein Umdenken an den Universitäten sorgen", lautete die
Forderung von Klaus Jansen. Der Gewerkschaftschef der Kriminalbeamten,
der als Kontaktbeamter des BKA jahrelang in den USA lebte und die
Praktiken des FBI aus dem Effeff kennt, lobte seine US-Kollegen, die
eine eigene Headhunter-Abteilung haben, um die besten ITler von der
Universität abzuwerben. "Bei uns klappt das nicht. Die guten Leute
gehen lieber in eine Software-Firma als zur Polizei. Wir brauchen aber
die Denker. Wir müssen die Leute holen, die jetzt in der Börsenkrise
gefeuert werden und sie sofort im Ressort Wirtschaftskriminalität
einsetzen."

Diese Position belustigte wiederum den Diskussionleiter Uwe Proll,
Chefredaktuer des Behördenspiegels, der den Polizeikongress
veranstaltet. "Wenn Online-Streifen Mangelware sind, warum stellen Sie
dann nicht gleich Hacker ein, die viel kreativer sind als ein Polizist,
der für den Umgang mit Bürgern ausgebildet ist und nicht mit dem Netz
tanzt?" Das lehnten alle Diskutanten ebenso ab wie den Vorschlag,
private Firmen mit dem "Internet-Zeugs" zu beauftragen. In dieser Form
sei es nur ein Zeichen für die Entstaatlichung von Gewalt. In die Logik
der Diskussion passte es auch, dass sich zum Schluss ein pensionierter
Kriminalbeamter meldete und an den "Kampf gegen die RAF" vor 30 Jahren
erinnerte. "Damals hielt der Staat zu uns. Die Politiker waren da, und
wir hatten Geld genug. Wo sind sie heute?" Doch die hohe Politik war
längst verschwunden, die Kameras abgebaut, die Blaulichter verschwunden.

Siehe zum 11. europäischen Polizeikongress auch:

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die
erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die
Online-Durchsuchung siehe:

(Detlef Borchers) /
(jk/c’t)

Source: http://www.heise.de/newsticker/meldung/102676/from/atom10